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Glossen und Kritiken
Freie Sezej jiou 1916
Diese Ausstellung ist eine Sammlung von
Bildern, die (mit einigen Ausnahmen)
(ganz zufällig) (ungefähr) gleichzeitig
gemalt wurden. Das and die Wand,
an der sie hangen, ist das einzige» was
sie gemeinsam haben. Kein Seist, kein
Ziel, keine Richtung» nur der Zufall
eiul (und treuul) sie.
Richt zwei der ausgestellten Künstler
haben ein und dasselbe Ziel, jeder hat
ein anderes und manche (nicht die
schlechtesten) haben sogar viele Ziele.
Und einige (die besten) haben sogar gar
keius. Kein Ziel, keine Richtung, keine
Schule» kein Programm? Das wäre
doch zu schön. Es ist auch nicht ganz
wahr. Etwas programmell es doch hie
und da. Aber im ganzen erfreulich
wenig. 2m ganzen herrscht ein höchst
begrüßenswertes Durcheinander» ein
sehr hoffnungsreiches Lhaos» ein er
quickender Mangel au Absicht.
Schulen nivellieren» Richtungen ver
blöden, Programme langweilen —
das sieht man an den auch hier
noch immer reichlich vorhandenen
Beispielen besonders abschreckend,
weil die Besseren uud Besten so
erquickend dumm drauf los malen,
jeder für sich, wie ihm der Pinsel
gewachsen ist. Das Resultat ist
durchsichtiger, ehrllcher» „richtiger"
als bei Programm- und Richtuugs-
Alles ist gleich eitel, unsere Lust
und nufer Weh; aber goldene
oder himmelblaue Seifenblasen
sind doch hübscher als schwarze
oder graue. A. Ehamfort.
Ausstellungen. Man sieht deutlicher
(uud uuverärgert), wer seine Sache
gut gemacht hat, wer schlecht uud
wer sie hätte besser machen können.
Der Ehorgesaug wird in de»
Hintergrund getreten uud verhallt fast
uugehört. 2eder (der in Betracht
kommt) riskiert seinen eigenen Eon
(den er manchmal, weiß Sott» von
wem gehört hat) uud ist für
„gut" uud „schlecht" verantwortlicher
als wie die, die mit gedämpfter Kraft
im ach, so gut geübten Shorus piepsen.
Leute, von denen mau es nicht erwar
tete, singen hübsch uud hübsche Melo
dien. Andere, von denen mau es auch
nicht erwartete, singen ziemlich heftig
vorbei. Uud einigen versagt die Stimme
ganz — ein komischer, beinahe rüh
render Aubllck. So läßt sich denn über
das ganze Konzert im allgemeine»
wenig sage«. Es bleibt nichts übrig»
als im Einzelnen vom Eiuzelueu zu
reden — uud zu schweigen.
Hingerissen (uud weggeschleppt) wird
man nicht eben oft. Zuerst von
MarSes. Drei Bilder sind da.
Warum ein dickes, nacktes Mädchen
„Unschuld" genannt wird, ist mir nicht
klar. Die „Unschuld" des Malers
scheint mir größer als die des Mäd
chens. Edle Bilder, wie Marves sie
malte, kaun überhaupt nur ein Schuld»