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loser träumen. Wer heute hat die
Reinheit dieser Landschaft mit den
Kindern? Wie aus einem Tempel
gestohlen hängt das Bild zwischen
all den andern. Rur Runge und
zwei alte Landschaften von Thoma
Pud fähig, diesen Frieden auszu
halten; alles andere fängt an zu
schreien.
Reben den beiden älteren Thomas
hängt eine neue Landschaft von ihm.
Auch sehr friedlich. Aber es ist der
Schlaf eines alten Mannes» der nie
mehr recht aufwacht, den mau auch nicht
mehr wecken mag. Die Leideuschaft-
weckende Leidenschaft des schlafenden
Säuglings fehlt. Smmerhiu bietet
Thoma nicht das traurige Bild, das
wir von beinahe allen anderen deutschen
Rlalern gewohnt stnd, die es scheinbar
nicht abwarten können, älter zu
werden als ihre Bilder.
Habermauu war mal ein Maler.
Unter den Linden steht in einem kleinen
Laden ein frühes Zraueuporträt von
chm. Schön und beinahe rührend. Hier
hängen zwei große Leinwände voll
Farbe, die feinen Rameu, sonst aber kaum
etwas von ihm tragen. Träbner
hängt für stch allein. Tin ähnliches»
wenn auch weniger trauriges Beispiel.
Aber man weiß das ja längst. Rur
wußte man bisher noch nicht so deut
lich, daß seine Iran (Alice) seine
(vielleicht auch ihre) Tradition besser
und treuer gepflegt hat als er.
Einige Landschaften von ihm zeigen
aber doch» welch eine Hand und
welch ein Herz hier alt geworden
ist. Lieber manu ist nicht so gut
vertreten, wie mau es von ihm wünschen
möchte. Zwischen kleinen, alten
Bildern hängt ein neues Selbstpor-
trät, das nur im Format größer ist
als die andern, nicht was den Geist
angeht. Schlecht ist es nicht. Aber
mußte wirklich Lieberman« bemüht
werden, um das zu malen? Konnten
das nicht andere?
Slevogt konnte es nicht. Tr kann
nicht einmal mehr seine eigenen Bilder
malen. Und hat doch jahrelang (zu
unser aller Bergungen) nichts anderes
getan. (So scharf gegen Slevogt?
Richt gegen Slevogt, vielmehr gegen
Nachläufer, die jeden Slevogt für eine«
Slevogt halten, auch wenn er gar kein
Slevogt ist.)
Das ist die alte Garde. Sie stirbt»
aber ste ergibt stch nicht.
Mehr Freude hat mau (diesmal) am
„Mittelalter". Gs bewahrt die Tra
dition (die es gefunden) ängstlicher als
die, die ste verloren.
Da ist T. A. Weiß. Solange er
sich nicht zuviel Mähe gibt, zu viel
Sorgen macht und zuviel Absicht hat —
macht er Bilder» die nicht nur gut ge
malt» sondern (von einer ein wenig trau
rigen Seele) beseelt stnd. Tr hat von
der saßen Melancholie Plcassos mehr
als mancher, der stch dem Geist des
Spaniers nahe glaubt, wenn er „Ku
bismus" sagt — eine Literatenerfin-
duug. Es stnd dies vielleicht die
(hier hängen drei halbe) poetischsten
Bilder, die augenblicklich in Deutsch
land gemalt werden. — Aber daun geht
er hin und malt nach Prinzipien.
Gin „Bild, wie es sein soll", ein
Musterbild. 2e musterhafter es wird,
desto schlechter wird es uatärlich. Denn
wie ein Musterknabe nur eine ver
kümmerte Seele haben kaun, so auch
ein Musterbild. Tine Vorlage für
brave Schäler. Schädel Orlik
macht überhaupt nur Vorlagen für
seine Schäler. „Frühling, Sommer»
Herbst und Winter, Musterbilder
fär Vorgeschrittene". Vorgeschrittene?