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Die Musik des Heiligen
Als der heilige Zranz von Assisi fein eigenes Lebe« wie ein herrliches Gedicht
der Zreude durch das Leid komponierte, sagte von ihm Dante: Live Lonne wnrde
der Welt geboren.
Lin unerhörter Seeleuausbruch bereitete sich in den Völkern der Lhrifieuheit
vor. Ls war abermals das Wort des Nazareners, das da sprach. Aber der
Gregorianische Gesang konnte es nicht mehr aus seinen Herzenswurzeln zum Lungen-
geblätter, zu den Bluteulippeo emportragen. Die menschlichen Kehlen stimmten
aus einmal ganz neu au» und zwar geschahs im Grünen Umbrien, in der Nähe der
Heiligen Krippe, die alle Hinterwäldler herbeilockte, wenn Mgfierieu begangen und
gesungen wurden. Aus ihnen ging daun das italienische Theater hervor.
Der Dichter-Paraklet war blaß und suhlte bereits sein Dahinsterben.
Durch alle Lander war er gezogen und zu Tausenden von Menschen hatte er
gesprochen: ja sogar zu Tieren und Pflanzen. Man erzählte sich aber auch, er habe
zu Steinen, Kaisern und Päpsten geredet. Run suhlte er den Tod und sprach mit
ihm. Unter seine» gesiebten Tlarissiuueu, ln holder Klosterabgeschiedenheit, siel er
dem Tod in die Arme. Und da entstand noch sein Seufzer:
Altissimo Omnipotente Bon Signore
tue so’ le laudi e la gloria e 1’ onore
et ogni beneditione . . .
War König Davids Tempel Israels, iumitteu des Stimmeusturms und
Sustrumeutalgewifpers der Leviten jemals feierlicher gewesen? Niemals. Der
Heiüge Zrauz erhob seine Stimme über einem unsichtbaren Orchester gotterhobeuer,
feierlich schweigsamer Seelen. Lr segnete das Leidertrageu und das Sterben. Lr
nannte sie Geschwister. Die Sonne war seine Schwester» die Quelle seine keusche
Schwester» der Tod sein Bruder. Der pautheistische Schrei» der große Zreudeu-
schrei, den er inmitten seiner Schmerzen hervorstieß, kam über seine Zlammeuseele
aus den Eingeweiden der Erde. Eine kosmische Geschwisterschaft, ein Sternen-
Paradies» eine Blumeubefieruuug war aus feinem Taumuud hervorgebrochen. Lr
war der große Heideuchrist. 2u der Ekstase hatte er den Sang der Katakomben
verjüngt» für die Westlichkeit den Tempel im Geist aufgerichtet.