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Dar» hilft? Zweierlei.
Erstens: Strenge gegen sich selbst. Selbstverleugnung, die der „Schönheit"
entsagt, Saite» zum Schweigen bringt, Bilder zerstört, einseitig wird. Dem
Ziel zuliebe. Das wird mit Klarheit gefordert und ist — das leichtere. Das
zweite (schwerere) wird mir nicht klar genug verlangt. Ls ist das Gegengewicht:
Geduld mit den anderen! Die Kameraden verstehen und lieben! Zutrauen zu
den Gefährten ohne immer nach dem Paß zu fragen! Das (registrierbare) Ideal
erfüllt ja doch niemand.
Und das ist gar kein Unglück, solange die Geduld der anderen hilft
und heilt. Die Ungeduld der unbedingten Forderung aber (Zdealsucherei) macht
nur zum Ketzerrichter.
Also Laxheit? Damit die Karre wieder im alten Dreck der Kompromisse
stecken bleibt?
Rein! Keine Kompromisse, keine Laxheit! Wach und streng gegen das
Ziel, die Sache, die Verhältnisse und gegen sich selber! Den anderen gegenüber:
Vertrauen, Glauben.
Glauben au die Menschen und Glauben au den Geist, der auch im Geistigsten
nicht rein erscheint und noch im dreckigsten Dunkel (wenn er nur da ist) wirksam
und lebendig ist. Rur schwächlicher Unglaube glaubt dem nicht. Das ist der
Unglaube, die Gottlosigkeit, der alle (aber alle!) Archen erlegen sind. Sie wurden
dogmev-glänbig, weil sie geistes-n u gläubig waren. Zu dieser Gefahr der Gott
losigkeit kommt die Schwestergefahr: der Pietismus» der Glaube (vielmehr Un
glaube): daß alle Welt im Argen liegt. Das führt zum demütig-selbstgerechten
Konveutiklertnm. Und etwas konveutikelt es schon in diesem (sonst so frommen)
Buche. Scheu vor dem Untergehen im Fabrikgelriebe des heutigen Staates, Scheu
vor dem Alltag, Scheu vorm Dreck. Das ist Konveutiklertnm. Sezession der
Universität» freie Schulgemeinde, Partei des Geistes — das ist alles gut (-gemeint)
(vielleicht auch nötig) entbindet aber keineswegs vom Untertauchen im
Bestehenden. Man kaun nicht Sauerteig spielen, wenn mau sich nicht in den Leig
verkneten lasten will. „Sich für zu gut" und „Sich für bester als die anderen
halten", das sind zwei schlimme Gefahren für die Ritter vom Geist. Kommt (als dritte
Frucht des Unglaubens) Fanatismus hinzu, fo haben wir die „sichtbare Kirche"
unzweifelhaft dokumentiert.
Konveutiklertum und Ketzerrichterei find nämlich nicht (vermeidbare) Folge«,
sonder« (unvermeidbare) Zeichen jeder Kirche. Folgen des Unglaubens wie die
Kirchen selbst. Denn: Richt der Unglaube ist eine (vielleicht vermeidbare) Folge
der Kirchen; sondern die Kirchen sind die Folgen, die Kirchen
sind die Sichtbarwerdung des Unglaubens. Line Kirche des
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