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Greuzvorstelluug. Sie mir gleichnisweise uud teilweise auszubauen» bleibt ein
Spiel. Darüber hinaus? 2a» ist darüber hinaus etwas nötig? Hitler
fetzt au den Anfang feiner Zielphautaste einen Begriff: es fall allen erlaubt fein,
nichts als vital zu fein. Da haben wir's: „Leben". Uud was brauchen wir mehr?
Wir wiffeu nicht, was Leben einstens fein wird, wenn andre, beffere uud glück
lichere Meufcheu leben. Aber wir wissen, was es heute ist und kennen feine
Hemmungen. Reicht es nicht hin» weuu wir den Strom unseres Lebens gegen
diefe Schranken werfen, bis sie zerbrechen? Den Weg ins Meer wird er schon
selber finden.
Aber das ist ja wieder nichts als der jämmerlichste Rückfall in das alte
Gehenlasteu uud iu die alte Selbstvereiuzeluug! Weuu jeder nur gegen augeu-
blickliche Lebeushemmuugeu kämpft uud feiner (gehemmten) Aatur darin folgt?
Das wird kein Fortschritt uud keine Gemeinsamkeit und alles zerfällt aufs neue
iu feine Atome.
2ch glaube: nicht. Woran krankten wir uud kranken noch? Daran, daß jeder
nur feine eignen Hemmungen, nur feine eignen Schmerzen fühlte uud zufrieden war,
wenn er stch eine 2nfel schuf, auf der er uubelästigt hauste. Der Krieg beweist, daß
Eiuzelfreiheit uud Eiuzelglück immer bedroht, alfo erschwindelt sind. Daß keiner
stch, auch weuu er will, absondern kann. Diese Weisheit dürfen wir uie vergessen.
Herunterwürgen müssen wir sie, bitter hineinfressen, damit keiner mehr, auch wenn
er könnte, stch absondern will. Damit keiner mehr imstande ist, frei zu atmen,
solange er von solchen weiß, die ersticken» während er atmet. Berfehmt sei die
Galeerenweisheit Hoffmauusthals: von denen, die druuteu au deu Rudern leben
uud niemals Sterueuläuder sehn, während» unn: damit, damit andere genießen.
Daun brauchen wir keine Paradiesprogramme. Daun haben wir ja soviel Licht,
daun haben wir soviel Ziel uud Hoffouug, wie uns zum Wandern nötig ist. Daun wird
das „furchtbare Leiden am Leben" so steigen» daß kein Aarkotikou mehr hilft.
Daun wird aus ihm nicht nur die Lust, aus ihm die Kraft zum Kämpfen kommen.
Wir stad eine Schar» die ein Land erobern soll. Unser Ziel ist nicht ein
Punkt iu der Ferne, sondern der ganze wüte Horizont. Darum kaun der Weg
nicht auf der Ehaussee uud nicht iu gefchlosteuer Kolonne gehen. Wir müssen aus
schwärmen nach allen Seiten. Uud jeder Weg ist uns der rechte, der deu richtigen
Ausgangspunkt hat: Zutrauen uud Liebe zu allem (wirkend) Lebendigen.
So wichtig wie das Ziel ist dieser Anfang. Wichtiger als das (genaue)
Ziel, der Wunsch, der Wille» die Brunst zu marschieren. Wichtiger als der Geist,
die Liebe. Beides lebt iu diesem Buche. Das nur den einen Fehler hat: ein
Buch zu fein. Aber ein Buch» das jeder lesen muß, der gegen Ekel, Elend, Unrecht,
der gegen — Gestern uud für Morgen ist. Friedrich Mark