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stack abgestimmt" heißt der Zachaus
druck. „Eingeebnet" wäre bester.
Deu Rest besorgt Herr Stern. Dieses
Unglück kaun nicht einmal deu „Stil
der Zeit". Wiener-Werkstätten-Deko-
ratiou, weiter laugt es nicht bei ihm.
2ch habe sa nichts gegen Dekorationen.
Aber um so mehr gegen Wiener-
Werkstätten. Nichts ist verlogener,
unmenschlicher und uulebeudiger, nichts
toter und erkünstelter als dies unselige,
hochmütige „Kunstgewerbe", diese
Sucht bester, vornehmer» „stilvoller"
;u wohnen und ;n scheinen als mau
ist (und ißt). Ödestes Kunstgewerbe,
langstieligster Stil, das ist das Zei
chen dieses Abends. Mau sehnt sich
schließlich greuzeulos nach deu einfachen
bunten Lappen und Brettern eines
kleinsten Vereins- und Proviufthe-
aters. Dahin gehört Mokiere! Unter
Menschen! Nicht unter Snobs und
Theaterdirektoreu, die gebildeter sind
als ihre Dichter und von Molivre
glauben, daß er tot ist, weil es so im
Lexikon steht.
Und es hätte so schön sein können!
Zur die ELnues-Art, die ehrfurchts-
los-komische, wäre Pallenberg sa wie
geschaffen. Hätte er nur frech und
froh eine seiner lauten tollen Ope-
retteufiguren gemimt! Reinhardt
aber setzt ihm einen Dämpfer
auf: „Pschtschtscht! Meisterwerk der
Weltliteratur!" Und der arme Palleu-
berg wagt vor lauter Augst vud Ehr
furcht kaum den Mund noch auftu-
macheu, redet vielmehr in einer
schönen Übersetzung daher, so gebildet
wie nur möglich (bloß deu geheiligten
Eext nicht ändern!). Anstatt ;n
quatschen» was ihm grad ins Maul und
in die Situation hineinpaßt. Hier war
endlich eine Gelegenheit sich gehen ;u
lasten. Er aber hat Augst, daß es
ihm passiert, und kneift sich angstvoll
alles;u.
Aber all das ist nicht seine» alles das
ist Reinhardts Schuld. Er vermiest,
verkuustgewerbelt nicht bloß tote und
heilere Mchter, auch die leben
digen guten Schauspieler, die in seine
Hände fallen. Ein Dutzend Buhnen
und einige Zirkuste hat er auf sein
Niveau nivelliert, Generationen mit
Kunstgewerbe durchseucht, gav;e Ge
meinden unbrauchbar fürs Leben (und
schädlich) gemacht. Soll er nun unge
straft auch noch die paar übrig geblie
benen Schauspieler verkitschen dürfen?
(Sogar Wegeuers überlegene Intelli
genz hat Mühe, sich zu behaupten.)
Schon sind die harmlosesten Operetteu-
komiker, die letzten fröhlichen Exzen-
triks von feinem kunstgewerblich ver
schnörkelten Atem bedroht. Sn wel
chem Theater, Zirkus und Bariei«
wird man am Ende sicher sein vor
seinem Mahagouigetäfel, vor sÄoeu
echten Kostümen und unechten Men
schen, vor seinem ganzen ekelhaften
Knust-Pharisäertum?
Solange Kerr ihn kritisierte, solange
hatte er noch eine gewiste Bedeutung.
Er, der Aicht-KSnstler, stand dem
Künstler (welch einem!) uufreiwilliger-
weise Modell. Seit aber Kerr über
ihn schweigt» haben seine Bühnen ihre
letzte Berechtigung verloren. Nichts
dämpft mehr deu Schaden, deu er an
richtet.
Kanu man ihm nicht deu Laden
schließen? Als guter Kauf- und Ne-
klamemauu (auf diesem Gebiet nud
nur auf diesem liegen seine Erfolge
und seine Leistungen) wird er das Geld
(das ich ihm gönne) ja mit Gummi
so gut wie mit Kunst verdienen.
H. Siemseu
Herausgeber: Otto Haas-Hege» ?. Z. im Selbe
Verantwortlicher Schriftleiter: Hans Siemseu» Lichterfelde, Sternstrahe 25
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Sn Österreich für die Redaktion verantwortlich Hugo Heller, Wien,!, Bauernmarkt Z
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