Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

Bedenken Sie nur, meine Damen und Herren, daß ein gotischer Dom oft 
mehrere Jahrhunderte zu seiner Entstehung brauchte. 
Heute können wir mit Eisen und Eisenbeton in einigen Monaten so weit 
sein — wie damals in Jahrzehnten. 
Dem Eisen und Eisenbeton wird sich sehr viel farbig ornamentiertes Glas 
zugesellen, das auch sehr rasch in einigen Tagen eingesetzt werden kann. 
Man wird das Glas immer in Doppelscheiben anbringen — der Wärme 
und der Geräusche wegen. 
Man wird sehr viel Drahtglas verwenden, das man mit Steinen nicht so 
rasch durchschlagen kann, so daß man nicht mehr sagen dürfte — etwas sei so 
zerbrechlich — wie Glas. 
Also: gleich nach der Zerstörung neue erhöhte Bautätigkeit mit anderen 
praktischen Materialien. 
Und die neuen Stadtanlagen werden viel weitläufiger sein als die alten. 
Die elektrischen Verbindungen erlauben das. Es werden große planmäßig ge 
baute Rolonien entstehen, in denen die grade Linie nicht vorherrschend sein dürfte. 
Das sind nicht nur müßige Zukunftsgedanken. Diese Bautätigkeit muß sich 
mir Energie in der angedeuteten weise ausbreiten! es geht gar nicht anders. 
So sieht die Lichtseite der diesmaligen Sonnenfleckenmaximumperiode aus. 
Entschuldigen Sie das schreckliche Wortmonstrum — aber ich wollte doch mit 
einem Monstrum meine sehr aphoristischen Andeutungen schließen. 
Denken Sie sich das Zentrum der neuen Städte mit bunt ornamentierten 
Fliesen belegt — und sehe groß — viele Male größer als der Markusplatz 
zu Venedig." 
Jetzt applaudierte das Publikum ganz stürmisch. Und der Herr Professor 
sagte nur noch: 
„Hoffentlich habe ich jetzt genug angedeutet — so viel, daß wir für einige 
Tage wieder etwas heiterer in die Zukunft blicken können." 
Der Gastgeber ließ Bier bringen, und man trank in großen Zügen auf 
das Wohl des Herrn Professors und auf eine glänzende Zukunft in neuen 
größeren Stadtanlagen. 
Ich verließ, ohne bemerkt zu werden, hastig die Gegend, in der ein so 
großer Optimismus herrschte. 
Aber merkwürdig wars, daß mich auf der Straße der Optimismus nicht 
verließ. Ich war bei so guter Laune, daß ich in einem größeren Bierlokal noch 
ein paar Schoppen auf das Wohl des Herrn Grobleben — und auf eine 
glänzende Zukunft trank. 
Paul Scheerbart
	        
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