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Glossen und Kritiken
Sacobso hu ruft nach der Po
lt r e i. — 3u München gab es vor «u
paar Sahreu ein kleines Theater, das
mit unbekannten Kräften unbekannte
Stucke auf eine Weife aufführte, daß
beide bekannt wurden. Da fah man
Tschechow in einer trostlos langweiligen
Melancholie; da fah mau einen frau-
zöstsch-elfäfstscheu Lragödieu-Ulk von
Arno Hol;; da fah mau Nestrog
(sehr unecht!), aber zum Brüllen ko
misch; (Nachmittags und Abends
au einem Tage bin ich hingegangen
und daun noch dreimal); da fah mau
Shaw, Striudberg und Wedekiud in
einer verrückten» unvergeßlichen Ma
nier; da fah mau Schmarren von
Bahr und Moluar; da fah mau noch
viel schwächere Lachen — gespielt wie
für die Ewigkeit, für eine Ewigkeit
von fünfzig Sahreu, solange eben
ein Leben dauert. Da sah mau eine
„dramatisterte Novelle" von Auatol
France, ein blödes Ding — aber man
faß (und fah's) und heulte.
Da hatte mau ein Theater, das ein
Theater war; zum Lachen, rum Weinen
und ;um Verlieben.
Ein Theater» in dem mau Kulissen sah;
und diese Kulissen wackelten. Ein
Theater, knrr, das keine Literatur,
sondern Äne Angelegenheit des täg
lichen Lebens war. Abends ging mau
hin wie in ein Kino, wie in ein Va
rietee, wie;u einem Reudez vous.
Dieses Theater waren die „Kammer
spiele". Und der Direktor hieß Eugen
Robert.
München hatte dank ihm ein Theater,
wie ich in Deutschland noch keines
gesehen habe. Daun wurde er
abgesetzt, disqualifiziert, entfernt, ent
lasten» — und heute ist das kleine The
ater längst auf dem Niveau angelangt,
auf dem stch das übrige München schon
seit Sahrzehuteu befindet. („Wie fie
so sauft ruhn!") Weshalb wurde
nun wohl dieser Herr Robert ent
lasten?
Mau könnte meinen, weil er seinen Be
hörden (das waren: die Polizei und
der Aufstchtsrat des Theaterchens)
mau könnte meinen, weil er diesen
Leuten zu schlecht (oder zu gut) diri
gierte und regissterte. Aber nein!
Deswegen entläßt mau ja keinen Ae-
gisteur, sonst ständen unsere Theater
(fast alle) verwaist vud nur in München
das kleine Theater würde einen haben
— eben Herrn Robert. Rein» nÄu, er
wurde aus anderen Gründen gehindert,
Kunstwerke kunstvoll zu verwirklichen.
Erstens verdiente er nämlich nicht
genug: er gab mehr aus, als er bekam.
Zweitens war er gegen einige Damen
feines Hauses zu freundlich, viel zu
freundlich, gegen ihren Willen freundlich.
Um feine Finanzen und die des The
aters nun in geordnete Berhältuiste zu
bringen (nachher hatten beide nichts)
und um feine Freundlichkeiten auf
das polizeilich zuläfstge Maß zu redu
zieren, wurde er von Polizei nud Auf-
stchtsrat entlasten, entfernt und dis
qualifiziert.