215
mit Laub besteckten Zensiern der Abteile. Zug auf Zug rollt hereio. Die auf
dem Steig falle« iu deu Gesang ein. Der Bahnhof ranfcht von blonder Juugeus-
Kraft, die verteidigen will.
Junge feiuäugige Menschen fitzen mit fchaukeludeu Beineu auf Trittbrettern
und Wageudächern. Sie steigen herunter, recken die Arme. Die schlanken Hälfe
find frei und gebräunt. Die Ledergamascheu machen ihr Stehen fest. Rur Hemden
bekleiden die edlen Säulen des Brustkorbes, der unter dem Leinen lebt und fich
spannt iu der gastrischen Sonne. Die Züße treten leicht und wiegend, als ob sie
wußten, daß ste sa diesen Brustkorb zu tragen haben, geschnitzt aus Stäben, die
durch Vergleich mit dem köstlichsten Material nur verlören und Bedeckung bilden
für das Herrlichste. Und wenn sie weiter fahren, weht und schallt es von weißen
Zlaggeu und Rufen der Offiziere, der österreichischen Vahubeamteu» der Kranken
pfleger, die ihnen letztes Spalier bilden. Die Hemden am Halse offen, blau
äugig und wiffeud, wofür fie die Brust hinhalten, so fahren sie hinein — oh
Deutschland!
Die deutschen Schwestern steigen auf die Bänke und Gitter, bis fie den
Zug nicht mehr sehen können.
Daun aber kam jener Lag, au dem die vielen schwerverwuudeten Austen
eintrafen. Roch habe ich diesen Geruch aus alten von Schweiß vollgesogenen
Stoffen, Liter und ehemaligem Meuscheublut im Hals. Aiemals spürte ich einen
entsetzlicheren Geruch. Es ist wie das Entsetzlichste selbst und uuertragbar.
Line Reihe von Güterwagen. Darinnen Zleisch, das au manchen Stellen
blutete und sich wie versehentlich zuweilen bewegte und Schmerzeustöue von sich
gab. Zerstückelt kamen die mächtigen Austeuleiber aus der Schlacht zurück. Ihre
Glieder waren vielfach umwunden. Wagen auf Wagen, immer neues glasiges
Stieren heller Augen und immer der gleiche Berwundete-Rnsten-Geruch.
Biel Widerwillen mußte besiegt werden» bevor wir sie unter deu Körper
fasten. Schwitzend und fast stickend iu der Luft der Waggons arbeiteten wir
Mischen den stumpf Liegenden. Wir mußten die schweren Körper eine weite
Strecke tragen, um deu Bahnhof herum bis auf den freien Platz vor ihm.
Dort werden die Bahren niedergesetzt.
In langer Linie liegen die graugelbeu Aieseuleiber, wie der Krieg sie zu-
gerichtet hat. Alan kaun oft die Bewußtlosen nicht von den Anderen unter
scheiden. Einige haben die Decken über ihr Gesicht gezogen. Khakibraune
Gesichter zucken. Weist liegen sie geduldig, als ob sie Augst hätten, man tötet
sie, wenn sie schreien.
Run noch einmal umlegen auf die Bahren, die wir aus deu wartende«
Sauitälsautomobileu ziehen. Unter deu Decken sind sie fast nackt. Wie wundervoll
gewachsen sich dü starken Schenkel von ihrem Treffpunkt am Geschlecht trennen!
Wie zart der blonde Zlaum auf ihnen, trotz Blut- und Schmutzkrnsteu! Wir
stemmen die Aletalltragen in die Höhe und lasten sie in deu Hintergrund des
Autos rollen. Die leeren Bahren stehen blutig nnd haben denselben furchtbare«
Geruch, der nicht fortgeht.