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Almen mit der Ruhe abgefeimter Gauner» die das grausigste Schauspiel uur
?u blasiertem Lächeln reizt, über uns ergehen. Alan merkt» daß das Regiment
und feine wundervollen Soldaten Kriegsgeschichte hinter sich haben. Gr gibt
keine Situation mehr, die nicht schon einmal da war und von der Erinnerung
nicht schon übertrafen würde. Der Ruhm des serbischen Zeldzuges läßt das
Regiment nicht schlafen. Es seufzt unter der Enge, der bleichen Monotonie,
der unerbittlichen Grausamkeit des Schützengrabens.
</er Sufauterist kämpft nicht mehr. 2n dem neuen Gesicht der Krieges ist
der waffenlose Manu auf einmal Werkzeug der vernichtendsten Pläne geworden.
Das Schauspiel dieses übermenschlichen Kampfer druckt den kleinste« Phasen
seinen erhabene« Stempel auf. Wenn weit hinten in der Etappe die noch nie
erschienene Neuheit dieser Art Schlacht ihr staunenswertes Gesicht zu zeigen
beginnt, wenn Zuge, berstend von Material und feinem Millioueuwert, in zäh
ineinander verbisieueu Ketten sich heranqnäleu, begreift mau das Zurchtbare
dieses Raubbaues. Beton, Eisen, Sandsteine, Zement, Bauholz, Eiseupfähle,
Drahtnetze, Glas, Dachpappe, Bohrmaschinen» Pumpen, Dguamomaschiuen,
Kabel, Eelephondrähte, Wellblech, Saudsäcke, Eiseubahuschieueu, Lokomotiven»
Wagen. Begreift mau hieraus allein nicht die Gewalt jener finsteren Entfchlosieu-
heit, die den verzweifelten Willen zum Sieg immer höher hiuaufreißt? Laufende
von Arbeitern bereiten jenes Material hinter der Zrout vor, in rasend ge
hetzter Arbeit, Lage und Rächte, Soun- und Feiertage durcheiuauderwirbelud.
3n den ersten Stunden der Nacht, den letzten Schimmern des verloschenen
Lages das dürftige Licht abgewinnend, flutet der bislang unsichtbare, abgestaute
Strom von Kolonnen durch die gefährlichen Wälder und zerpflugten Landstraßen
in die Bereitfchaftslager, in diese letzten Sammelpunkte gesicherten Lebens, über
die heraus kein ungesicherter Schritt mehr möglich ist. Es sind enge, unglaublich
gewundene LLler, in deren Falten die schweren Pferde mit zitternden Flanken
und unheimlich erglühten Augen auf das Platzen der Schrapnells lauschen. 3n
tragischem Schweigen versunken, auf Spaten und Gewehr gestutzt, wie erstarrte
Figuren eines Shakejpearefcheu Trauerspiels» kleben die Infanteristen au den
Mauern in der dumpfen Erwartung von Gefahr und Arbeit. Sie schleifen das
endgültig bereitete Material durch die Gräben, über die zersplitterten Höhen in
die Stellungen.
Das ist das unerhörte Gesicht dieses neuen Krieges, in der Komplikation
seiner Erscheinung nie völlig ausdeutbar, im ganzen aber erschütternd» erhaben, ge
waltsam und blutig. Der Arbeitsdienst in dieser tödlichen Atmosphäre ist die
tägliche Heldentat des Musketiers. Ohne Auszeichunug, ohne Loblied.
Theodor Haubach