Volltext: 1914-1916 (1914-1916)

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Almen mit der Ruhe abgefeimter Gauner» die das grausigste Schauspiel uur 
?u blasiertem Lächeln reizt, über uns ergehen. Alan merkt» daß das Regiment 
und feine wundervollen Soldaten Kriegsgeschichte hinter sich haben. Gr gibt 
keine Situation mehr, die nicht schon einmal da war und von der Erinnerung 
nicht schon übertrafen würde. Der Ruhm des serbischen Zeldzuges läßt das 
Regiment nicht schlafen. Es seufzt unter der Enge, der bleichen Monotonie, 
der unerbittlichen Grausamkeit des Schützengrabens. 
</er Sufauterist kämpft nicht mehr. 2n dem neuen Gesicht der Krieges ist 
der waffenlose Manu auf einmal Werkzeug der vernichtendsten Pläne geworden. 
Das Schauspiel dieses übermenschlichen Kampfer druckt den kleinste« Phasen 
seinen erhabene« Stempel auf. Wenn weit hinten in der Etappe die noch nie 
erschienene Neuheit dieser Art Schlacht ihr staunenswertes Gesicht zu zeigen 
beginnt, wenn Zuge, berstend von Material und feinem Millioueuwert, in zäh 
ineinander verbisieueu Ketten sich heranqnäleu, begreift mau das Zurchtbare 
dieses Raubbaues. Beton, Eisen, Sandsteine, Zement, Bauholz, Eiseupfähle, 
Drahtnetze, Glas, Dachpappe, Bohrmaschinen» Pumpen, Dguamomaschiuen, 
Kabel, Eelephondrähte, Wellblech, Saudsäcke, Eiseubahuschieueu, Lokomotiven» 
Wagen. Begreift mau hieraus allein nicht die Gewalt jener finsteren Entfchlosieu- 
heit, die den verzweifelten Willen zum Sieg immer höher hiuaufreißt? Laufende 
von Arbeitern bereiten jenes Material hinter der Zrout vor, in rasend ge 
hetzter Arbeit, Lage und Rächte, Soun- und Feiertage durcheiuauderwirbelud. 
3n den ersten Stunden der Nacht, den letzten Schimmern des verloschenen 
Lages das dürftige Licht abgewinnend, flutet der bislang unsichtbare, abgestaute 
Strom von Kolonnen durch die gefährlichen Wälder und zerpflugten Landstraßen 
in die Bereitfchaftslager, in diese letzten Sammelpunkte gesicherten Lebens, über 
die heraus kein ungesicherter Schritt mehr möglich ist. Es sind enge, unglaublich 
gewundene LLler, in deren Falten die schweren Pferde mit zitternden Flanken 
und unheimlich erglühten Augen auf das Platzen der Schrapnells lauschen. 3n 
tragischem Schweigen versunken, auf Spaten und Gewehr gestutzt, wie erstarrte 
Figuren eines Shakejpearefcheu Trauerspiels» kleben die Infanteristen au den 
Mauern in der dumpfen Erwartung von Gefahr und Arbeit. Sie schleifen das 
endgültig bereitete Material durch die Gräben, über die zersplitterten Höhen in 
die Stellungen. 
Das ist das unerhörte Gesicht dieses neuen Krieges, in der Komplikation 
seiner Erscheinung nie völlig ausdeutbar, im ganzen aber erschütternd» erhaben, ge 
waltsam und blutig. Der Arbeitsdienst in dieser tödlichen Atmosphäre ist die 
tägliche Heldentat des Musketiers. Ohne Auszeichunug, ohne Loblied. 
Theodor Haubach
	        
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