39
i
aller Dinge. Das ist die Weltanschauung von Handwerkern
am Geist, die den tiefen und notwendigen Zusammenhang
des Guten mit dem Bösen nie begreifen wird. Der Dadaist
aber will das Böse von ganzem Herzen. Der Expressionist
hat die deutsche Revolution auf dem Gewissen. Die Phrasen
von Güte und Menschlichkeit wanden den anstürmenden
Massen die Gewehre aus der Hand. Die Expressionisten
wollten ihre Gegner leben lassen, weil sie sich theoretisch
von der absoluten Unantastbarkeit des Bebens überzeugt
zu haben glaubten. Das Beben aber theoretisch als einen
infrangiblen Begriff hinsetzen, heißt einen Bonzen als Dik
tator über den Strom der Dinge heben. Beben heißt keines
wegs leben lassen. Beben heißt Gemeinheit, Mord, Notzucht
und Besoffenheit — leben ist der ewige Streit der Gegen
sätze, die unser Verstand in es hineindenkt, eine Bewegung
hinter durchsichtigen Vorhängen, ein Aufwallen, Schreien
und Jammern, denen man sich mit Vorsicht zu nähern hat.
Der Dadaist ist hiervon durchaus überzeugt. Er ist des
halb himmelweit von der Diktatur irgend einer Theorie
entfernt, aber für die Durchsetzung von Ideen, die den
organischen Fluß der Geschehnisse unangetastet lassen,
etwa so wie ein Arzt dafür ist, daß man einem Kranken
eine Rippe wegschneiden muß, nicht um ihm dadurch das
Paradies zu schaffen, sondern um ihm das Beben zu erhalten.
Der Dadaismus ist für jede Art'von. Sozialität, soweit diese
die Tendenz hat, Kampf und Gegensätze zu schaffen; er
haßt die Ruhe und den Garten Eden.
Alle weltverbessernden Theorien setzen die Annahme
voraus, der Mensch sei gut. Mit Hilfe der Psychoanalyse
will man den vom Krapotkin beschriebenen Instinkt der
gegenseitigen Hilfeleistung vtf» den Verdrängungen der
konventionellen Moral befreien und durch eine revolutionäre
Tat aus dem Unbewußten zur Manifestation bringen. Ueber
den Wert der Psychoanalyse sind die Ansichten geteilt.
Adler weist mit überzeugender Sicherheit nach, daß die
neurotischen Erscheinungen, als welche am Ende jede
moralische Handlung gelten'muß, Zielhandlungen (aus dem
Gegensatz männlich-weiblich) und kaum Verdrängungs