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angelegenheit sind. Angenommen aber, daß sich in dem so 
genannten Unterbewußtsein wirkliche Instinkte befänden, 
die man durch psychoanalytische Therapie befreien könnte, 
würde noch durch nichts bewiesen sein, daß es sich hierbei 
um Güte, Menschlichkeit, Friedensliebe etc. handelt. Der 
Dadaist ist im Gegenteil der Ansicht, daß der Instinkt der 
gegenseitigen Hilfe eine durchaus egoistische Handlung ist, 
genau so wie ihm eine Biologie „des Krieges“, die feststellt, 
daß die Menschen im Anfang ihrer Entwickelung als Herden 
tiere auf eine gesellig-gesellschaftliche Einstellung ange 
wiesen gewesen wären, nichts beweisen kann. Der Dadaist 
geht allein von der erkenntnistheoretischen Feststellung 
aus, daß das Eeben eine in sich kämpfende in ständiger Be 
wegung begriffene imübersehbare Reihe von Phänomen ist, 
gleich einem buntbewimpelten Strom oder gleich einem 
Riesenwarenhaus, in dem das Rattern der elektrischen 
Signale nie abreißt und die bewegten Treppen durch die 
Stockwerke sausen. Dem Dadaisten ist der Kampf eine 
selbstverständliche Voraussetzung des Bebens; man kann 
ihn nicht wegnehmen, ohne dem Beben mit seiner meta 
physischen Voraussetzung den Sinn zu nehmen. Das Para 
dies zu wollen, ist ein Mißverstehen des Bebens überhaupt. 
Revolution mit der Aussicht auf „Besserung“ ist die An 
gelegenheit eines Bourgeois, der unter „Mitleid“ seinen 
eigenen Frost, seinen eigenen Jammer, seine eigene Minder 
wertigkeit begreift und sich nun schnellstens einen warmen 
Platz am Ofen sichern will. Was für Kunst herauskommt, 
wenn man aus der Pseudowahrheit des Meliorismus Novellen 
macht, beweist Beonhard Franks „Der Mensch ist gut“ — 
ungefähr das läppischste, dümmste und künstlerisch tölpel 
hafteste Gewäsch, was man in Deutschland seit J ahrzehnten 
in den Kreisen mit literarischen Pretentionen gehört hat. 
Dada pfeift auf die Güte. Dada macht Revolution aus Freude 
an der Bewegung, aus überschüssiger Energie. Die Aufgabe 
des Dadaismus: den Deutschen ihren Güte-, Menschlichkeits 
und Expressionsschwindel zusammenzuschlagen und dafür 
den Typus eines naiven Menschen zu setzen, der außer 
halb der Zweiteilung der konventionellen Moral steht.
	        
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