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Jahresbericht 1910 der Zürcher Kunstgesellschaft
Eine Füssli-Ausstellung im Kupferstichkabinet
August/September 1910.
"Sonderablruck aus der Neuen Zürcher Zeitung.
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In den Bibliothekräumen des Kunsthauses hat sich seit kurzem eine kleine graphische
Ausstellung aufgetan. Damit ist neben den beiden Einrichtungen der «Ständigen Aus-
stellung» und der «Sammlung» — diese haben freilich einstweilen für einige Wochen
dem «Schweizerischen Salon» Platz machen müssen — auch das Kupferstichkabinet, als
Stätte intimeren Kunstgenusses, der Oeffentlichkeit erschlossen worden.
Eine erste Uebersicht, eine Anzahl Zeichnungen von verschiedenen Vertretern des
Zürcher Künstlergeschlechtes Füssli, eröffnet die Reihe der regelmässigen Ausstellungen,
die allmählich den ganzen Besitz der Zürcher Kunstgesellschaft an Werken der Graphik
den Kunsthausbesuchern vorführen werden. Anspruchsloser, schon dem Formate nach,
als die grossen «Bilder», und meist auf den einladenden Reiz der Farbigkeit verzichtend,
verlangen diese Blätter auch eine andere Betrachtungsweise. HEin Besuch im Kupfer-
stichkabinet ist schon mit dem Genuss von Kammermusik verglichen worden. Hier wie
dort lebt feines und feinstes künstlerisches Gewebe in bescheidener äusserer Form,
strömen die tiefsten Wirkungen aus intensivster Verdichtung und Vereinfachung des
Stoffes und der Darstellungsweise. Zeichnungen jeder Art, Holzschnitte, Kupferstiche
und Radierungen, Steindrucke, ob farbig oder nur in Schwarz-Weiss, auch Aquarell- und
Oelskizzen, werden heute allgemein dem «Kupferstichkabinet» zugewiesen und im Kupfer-
stichkabinet gesucht, das ursprünglich bloss eine Sammlung von (gestochenen) Repro-
duktionen berühmter Originalwerke sein wollte. Bedingt bei der Zeichnung (als Studie)
und der Farbenskizze ihr Wesen als Ergebnis rein persönlicher Kunstübung mit keinem
andern Zweck als einer ersten künstlerischen Bewältigung des Stoffes die Beschränkung
auf das Hauptsächliche, so sind es bei Holzschnitt, Kupferstich und den verwandten
Techniken die Sprödigkeit und die Besonderheiten des Materials, die zu Konzentration
und Abstraktion zwingen. Was ein Holzschnitt von Menzel oder Holbein, eine Zeichnung
von Watteau oder van Gogh, eine Radierung von Rembrandt oder Whistler bieten, ist
nun freilich nicht von jedem Werk der gleichen Technik zu erwarten.
In Zürich verbietet sich neben dem glänzend dotierten eidgenössischen Kupferstich-
kabinett im Polytechnikum für ein zweites öffentliches oder halböffentliches Institut wie
die Sammlung im Kunsthaus von vornherein jeder Ausbau nach der gleichen Richtung.
In neuerer Zeit erwirbt denn auch die Zürcher Kunstgesellschaft nur noch in besondern
Fällen Holzschnitte, Kupferstiche und andere Graphik im engern Sinne. Wenn immerhin
gewisse Stecher, besonders Zürcher des 18. und 19. Jahrhunderts, verhältnismässig gut
vertreten sind, so beruht dies auf früheren Ankäufen oder auf stets willkommenen