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Jahresbericht 1910 der Zürcher Kunstgesellschaft
worden. Nach dem Bezug des neuen Hauses beschäftigten den Vorstand die Prüfung und
Genehmigung der Kommissionsanträge betreffend Sammlung, Ausstellung und Bibliothek,
organisatorische und Betriebsfragen, Besuchsordnungen, Reglemente, die Durchführung
der Mitgliederpropaganda. Im Zusammenhang mit Beschlüssen über Kunsthauspropaganda
und das diesjährige Neujahrsblatt erfolgte die Ausgabe von zwölf Ansichtskarten in
Kupferdruck mit Abbildungen des Aeussern und von Innenräumen des Kunsthauses. Im
September wurde bei Anlass der Versicherungserneuerung mit der Schweiz. Mobiliar-
Versicherungs-Gesellschaft eine Gesamtversicherung gegen Feuer- und Wasserschaden über
alle Wertobjekte in Sammlung, Ausstellung und Bibliothek mit Inbegriff des Kunsthaus-
mobiliars abgeschlossen, nach dem Prinzip der «Premier risque-Versicherung» bis zum
Betrag von Fr. 1,500,000, zu einer Prämie von °/10 °/oo, auf fünf Jahre.
Ausserhalb derartiger vornehmlich auf die Zukunft berechneter organisatorischer Ver-
‚ügungen stehen zwei vom Vorstand durchgeführte Angelegenheiten, von denen die erste
bereits im verflossenen Jahr, die zweite wenigstens bis zum heutigen Tag ihre Er-
ledigung gefunden hat:
1. Die «Salonfrage». Nach längern Unterhandlungen beschloss der Vorstand am
24. Mai auf dringendes Verlangen der Eidgenössischen Kunstkommission ausser den be-
reits im Vorjahre zugesagten Ausstellungsräumen auch die eben erst neu eingerichteten
Sammlungssäle des ersten Stockwerkes für die X. Nationale Kunstausstellung auf die
Dauer von drei Monaten zur Verfügung zu stellen. Damit wurde zu dem ohnehin ganz
unterbrochenen Betrieb der Ausstellung eine sehr erhebliche Beeinträchtigung der Samm-
lung in den Kauf genommen, indem eben nur die Säle des zweiten Stockwerkes zugäng-
lich gehalten werden konnten. Es wog aber die Ueberzeugung vor, dass hier, wo es sich
ım eine national-schweizerische Angelegenheit handelte, die Interessen unseres Vereins
an zweite Stelle zu setzen und alle Opfer zu bringen seien, die zu einer glanzvollen
Wirkung des «Schweizerischen Salon» beitragen könnten.
2. Die «Angelegenheit Ketsch». Der Vorstand hat für gut befunden, dem vor-
liegenden Jahresbericht eine aktengemässe Darstellung über den Verlauf der ganzen An-
gelegenheit bis zu ihrem endgültigen Abschluss mit zu geben. wenn damit auch die
Grenze des Berichtsjahres überschritten wird:
«Zur teilweisen Deckung des Schadens, den die Kunstgesellschaft durch die Verun-
treuungen ihres früheren Sekretärs Kusch erlitten, war von dessen Schwiegermutter
Ketsch in Hamburg ein Betrag von M. 15,000 deponiert worden. Nachdem gegen Kusch
von der Bezirksanwaltschaft Zürich eine amtliche Strafuntersuchung angehoben worden
war, forderte der Anwalt der Witwe Ketsch im Februar 1909 die von seiner Klientin
geleistete Summe zurück. Dieses Begehren vertrat er, nachdem inzwischen Kusch
wegen qualifizierter Unterschlagung verurteilt worden, auch in der Geschäftssitzung vom
24. Februar 1910, über welche im letzten Jahre berichtet worden ist. Die Abweisung
des Begehrens durch die Generalversammlung führte zu der angekündigten Rückforderungs-
klage beim Bezirksgericht Zürich.
Der Tatbestand, welcher der Beurteilung des Richters unterlag, ist kurz gefasst folgender:
Am 18. Dezember 1908 sicherte der Anwalt von Frau Ketsch der Kunstgesellschaft
M. 15,000 unter der Bedingung zu, dass deren Schwiegersohn weder strafrechtlich noch
polizeirechtlich belästigt werde.