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Jahresbericht 1911 der Zürcher Kunstgesellschaft
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Zum Werk von Rudolf Koller.
Von Dr. W. WARTMANN.
Dazu die Taf. I und II und Fig, 1—5.
Rudolf Koller, wie er als Künstler in den vierzig Studien und durchgeführten Gemälden
ler Sammlung der Zürcher Kunstgesellschaft erscheint, und wie ihn das Kollerbuch von
Adolf Frey als Malermenschen gestaltet, ist Idylliker. Er malt Tiere, Landschaften und
Menschen, für sich und in ihren Wechselbeziehungen, als Erscheinung, meistens im ruhigen
Bilde, gelegentlich auch im Zustande lebhafter Bewegung, nicht aber das Ereignis, den
iramatischen Höhepunkt des Geschehens.
So mag die im Dezember 1911 für die Sammlung im Kunsthaus erworbene Oel-
studie «Raubritter>» als Darstellung eines grimmigen Zweikampfes, mit gewalt-
samer Zusammendrängung von Mensch, Pferd und Vieh, im Werke Kollers überraschen.
Das Bild — s. Tafel I — ist nicht vom Künstler signiert, doch genügt als Beweis
für die materielle «Echtheit», dass es im Katalog der Jubiläumsausstellung zu Kollers
70. Geburtstag enthalten ist und von Augenzeugen auch als das dort ausgestellte Bild
erkannt wird. Für den Katalog dieser Ausstellung, wo es die Nummer 143 führte, hat
es der Künstler selbst nachträglich mit 1862 datiert. Von der Ausstellung kehrte es zu
Koller zurück. Bei der Liquidation des künstlerischen Nachlasses wurde es von einem
Privatmann erstanden. Bis zum Eintritt in die Sammlung wechselte es in der Folge
zweimal den Besitzer. Die blosse Echtheit als Werk von Rudolf Koller müsste indes für
sich allein kein Grund zur Aufnahme in die Sammlung sein.
Nun zeigt das Bild aber eine überaus wirkungsvolle Farbengebung, die in guter Be-
‚euchtung zu höchstem Glanz sich steigert. Bestimmend für die ganze Erscheinung ist
das fast völlige Fehlen von Grün. An seinen Platz tritt als Bildgrund ein lebhaftes
Ockergelb. Diesem stellen sich als weisse Flächen der Schimmel, das Hemd des Speer-
trägers und dasjenige des Gestürzten mit dem Weiss im Felle des Stiers entgegen, durch
den schweren Schlagschatten der ganzen Gruppe und den dunkeln landschaftlichen Hinter-
grund — rechts, hinter der Stahlrüstung des Reiters, dichte Massen von Gehölz, gegenüber
eine Brücke und Hügellandschaft — wirksam gehoben. Neben den breiten weissen Hals
des Pferdes tritt das sparsame aber leuchtende Blau und Rot von Schabracke und Waffen-
rock, das Braunrot des Stiers. So gruppieren sich die hellsten und wichtigsten Farben um
den Mittelpunkt des Bildes; an der Stelle, wo auch die Formen am weitesten geteilt und
am schärfsten ausgesprochen sind; rings um den dramatischen Mittelpunkt, der für den
Beschauer ja ziemlich genau zwischen der Lanzenspitze und dem ausholenden Arm liegt.
In blaugrünem Schatten steht am obern Rand des Bildes der Umriss des Burgstockes
gegen einen fahlen kalten Himmel.