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Jahresbericht 1911 der Zürcher Kunstgesellschaft
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Verdichtung der reinen Komposition bestätigen ein ebenfalls bei Adolf Frey näher aus-
geführtes Prinzip, das Streben nach geschlossener Komposition, die Koller geflissentlich
vermeiden liess «irgend etwas Wichtiges auf die Seite hinaus zu verlegen»,
Das Erscheinen des «Raubritters» in mehreren Skizzenbüchern inmitten der Fülle
der übrigen Studien zu später ausgeführten Werken, der Eifer, mit dem Koller den Vor-
wurf in verschiedenen Lösungen zu gestalten versuchte, zeigt, dass ihm der Gegenstand
längere‘ Zeit so wichtig und lieb war wie irgend ein anderer, dass die Studie mehr ist
als ein zufälliger kurzlebiger Einfall. Angesichts der Skizzenbücher, unter dem Ein-
druck der nahezu 2000 flüchtigen Zeichnungen, von denen aus überall Wege zu bekannten,
längst volkstümlichen Gemälden, aber auch nach anderen Richtungen, weisen, wird ihr
inniger Zusammenhang mit dem Kollerschen Gesamtwerk noch deutlicher offenbar;
neben eingehenden Skizzen zu den verschiedenen «Pferdekämpfen» (1850, 1854, 1887),
die in ihrer ungestümen Bewegung auch diesem Kreis angehören, und zu dem gleichfalls
sehr bewegten Jugendwerk «Pferde von Wölfen angefallen» (zwei Fassungen) begegnen
wild streitende Büffel, auf die Hirten mit langen Stöcken einreiten, Einzelstudien und
Kompositionsentwürfe zu Löwenjagden (ein grosser Karton im Besitz der Zürcher Kunst-
gesellschaft), kriegerische Kampfszenen, in denen man Vorbereitungen zu vaterländischen
Historienbildern vermuten möchte (eine Koller zugeschriebene grössere Zeichnung «Schlacht
am Morgarten» im Besitz der Zürcher Kunstgesellschaft); ähnliches klingt aus einer Brief-
stelle — Frühjahr 1853 —, wo Koller seiner Braut über seine angefangenen Bilder schreibt
und darunter das Folgende nennt: «Eine wilde Auerochsenjagd der Germanen, die auf
starken, mutigen, kraftvollen Pferden rasend auf das Tier lossprengen, mit wilder Lust
und tollkühnem Sprunge».
Abseits vom Stoffgebiet und der Formenwelt des Schweizer Malers scheint auch das
«Beduinenlager» — Taf. II. — zu führen. Auch dieses Bild zeigt sich indessen durch
sine Anzahl von Zeichnungen in den Skizzenbüchern belegt. Es trägt die Initialen Kollers
und die Jahrzahl (18)51. Verbindlich ist diese Signatur ihrer Beschaffenheit nach nicht
unbedingt. Das Bild liegt eher noch weiter zurück, in jener Zeit, da nach des Künstlers
eigener Empfindung sein zeichnerisches Können noch merkbar hinter dem malerischen
zurückstand. Die Pferde zeigen die schlanken Pariser Modeformen der vierziger Jahre.
Es wäre zu untersuchen, wie weit Horace Vernet und andere Maler des algerischen
Feldzuges an dem Kollerschen Orientalismus Anteil haben, für den eine kleine Zeichnung
aus einem Skizzenbuch eine weitere Probe gibt, Fig. 5. Nach dem ersten Meiringer Sommer
verschwinden Burnus und Purpursattel vollständig aus den Skizzenbüchern. Eine kleine,
freilich ziemlich äusserliche Erweckung feiert der Orientalismus doch noch einmal im
Jahre 1889 in dem Gemälde «Die Erwartung des Scheichs» (Jubiläumsaustellung Nr. 335,
Reproduktion bei Brunner & Cie.), nachdem Koller seit langem bei seinen Pariser Reisen
eifrig Bilder von Decamps und Fromentin in seinem Notizbuch mit knappen Strichen
aufgezeichnet und für sich rezensiert hatte, ohne doch ihrer künstlerischen Ueberlegen-
heit in seinen eigenen Werken stofflich je ein Zugeständnis zu machen.