Oz
Jahresbericht 1916 der Zürcher Kunstgesellschaft
31
Federzeichnungen Zürcherischer Meister
im Zürcher Kunsthaus.
Von Dr. W. WARTMANN.
Dazu die Tafeln I und II und 3 Abbildungen im Text.
Für den Umfang und den künstlerischen Wert der Sammlung von Zeichnungen älterer
Schweizer, namentlich Zürcher Meister im Zürcher Kunsthaus sind zwei Umstände bestim-
mend. Einmal: dass sie von den bedeutenden Kunstsammlungen des 18. Jahrhunderts, die
in Zürich bestanden — um nur die J. C. Füsslische und die Lavatersche zu nennen — nur
geringe Teile in sich aufgenommen hat und später auch ohne Verbindung mit den grössern
Zürcher Privatsammlungen des 19. Jahrhunderts geblieben. ist. Dann: dass nur selten
einer der von Zürich ausziehenden jungen Künstler eine stärkere eigene Anlage auf die
Wanderschaft mitnahm, so dass die meisten bei der Heimkehr immer wieder wirklich nur
das, was sie in der Fremde erworben hatten, nicht auch gefestigte Gestaltungskraft und
fruchtbare eigene Anschauung mitbringen konnten; diejenigen, die sesshaft blieben, wuchsen
erst recht nicht über die heimische, bloss von aussen her genährte Tradition hinaus,
sondern nur immer mehr .in ihre Beschränktheit hinein.
So sind die Zeichnungen der Zürcher Meister, die das Kupferstichkabinet der Kunst-
gesellschaft besitzt, im allgemeinen eher nur Spiegel einer bestimmten Zeit und Gesinnung
als künstlerisch selbständige Schöpfungen. ‚Gelegentlich ist sogar nur das an ihnen wert-
voll, was im Sinne des Zeichners selbst misslungen scheint, weil dies das allein Eigene
bedeutet, und das Blatt sonst eben nur die allgemeinen Zeit- und Lokalformen bringt, wie
die Zünfter Glasmaler, Formschneider, Kupferstecher und Goldschmiede. nach der und jener
Vorlage einen «Riss» anzulegen: pflegten.
Ebenso, wie diejvorwiegend gewerbliche Richtung der hauptsächlich vertretenen
Meister den Stil und die Haltung der Zeichnungen bedingt, so hat die frühere Art des
Sammelns ihren Einfluss auf die Auswahl der Blätter „und die Zuverlässigkeit der Be-
zeichnungen. Sie wurden lange Zeit nur. als Vorlagen und Musterblätter gewertet, erst
im 18. Jahrhundert als künstlerische und kunstgeschichtliche Dokumente. Dem Meister
Glasmaler und Goldschmied und dem Illustrator ist der geistige Urheber der Zeichnung
ziemlich gleichgültig, ihre Brauchbarkeit als Vorlage, als Motiv, alles; das Blatt interessiert