Volltext: Jahresbericht 1917 (1917)

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Jahresbericht 1917 der Zürcher Kunstgesellschaft 
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spüren wir hier, dass der Künstler die Natur wirklich ganz in sich aufgenommen hat, ganz 
von ihr erfüllt gewesen ist; dass er noch einmal ganz «aus dem Kopf» gezeichnet hat. 
Auf breiter Fläche ist in weit ausfahrenden Strichen das Räumliche angedeutet — und fest- 
gelegt —, die geblähte Masse der Kissen, in denen der Kopf der Sterbenden haltlos versinkt, 
die Polster, die den Rücken der Kranken stützen. Technik, Tasten, Suchen spielt keine 
Rolle mehr, Strich fügt sich an Strich für die festen Formen des Kopfes und den so ganz 
unsentimentalen, erschütternden Ausdruck des Seelischen in den beiden dem Leben schon 
fast enthobenen Gesichtern. Solche Bilder sind vom innern Auge des Künstlers geschaut 
und fertig gestaltet, bevor der eilende Stift sie auf das Blatt wirft; bevor sie unter der 
Hand des Meisters aus der weissen Fläche des Papiers und dem grauen Blei zusammen- 
schiessen und sich aufbauen, wie jenes Leben, das unter dem Meisselschlag im Stein erwacht, 
während die Splitter fallen, als blosse Hüllen der im unförmlichen Block gefangenen, vom 
Künstler nun erlösten Gestalt. 
So viel über die zehn Blätter, die zur Auswahl für die Wiedergabe sich aus sachlichen 
und mehr äusserlichen Gründen (Format, Farbe, Tonstärke) empfahlen. Der Kreis er- 
weitert sich nicht nur nach der Zahl, wenn alle neu erworbenen Zeichnungen in 
die Betrachtung einbezogen werden. Es finden sich unter den bisher noch nicht genannten 
manche Werke, die durch die besondern zur Anwendung gelangten technischen Mittel, 
durch eine eigenartige Auffassung der Erscheinung, durch die Zugehörigkeit in eine ver- 
hältnismässig frühe Schaffenszeit ihren. eigenen Platz einnehmen; selbständige KEinzel- 
figuren aus verschiedenen Epochen uud Stoffkreisen, Gruppen von Studien zu bestimmten 
grossen Gemälden und einige Entwürfe zu Kompositionen. An der Spitze steht eine 
flüchtige Bewegungsskizze in kurzen, eckigen Umrissen: Ein Bursche springt vom Stuhl, 
ein Becher rollt über den Tisch, ein Gegenüber lässt Bereitschaft zu Abwehr und Ver- 
teidigung erkennen. Auf eine Frage, ob das Blatt mit den Wandmalereien im «Crocodile» 
von 1886 in Beziehung stehe, bejahte der Künstler und setzte gleich seinen Namenszug 
und «Taverne du Crocodile» unter die Zeichnung. Die gleiche Figur, nur dass der Ober- 
körper etwas mehr vorgeneigt ist, die Bewegung etwas straffer, die Strichführung etwas 
bestimmter, findet sich als Tafel 1 in dem Hodlerbuch von H. Mühlestein mit der Jahr- 
zahl 1894 in der Handschrift des Meisters. Ein Gemälde mit der in den zwei Zeich- 
nungen wiederkehrenden Gestalt ist mir nicht bekannt. — Zwei schon bestimmter umrissene 
Figuren eines Schwertschwingers und eines Mannes mit Schaufel in schmalem Hochformat 
erweisen sich als Ideenskizzen zu der Folge der Dekorationen für die Schweizerische 
Landesausstellung von 1896, die so wirksam die Marignanofresken vorbereiten. — Zum 
zweiten Karton des Mittelfeldes für «Marignano> (seit der Hodlerausstellung im Zürcher 
Kunsthaus aufgestellt) gehört ein drittes Blatt... Dreimal erscheint darauf, noch in dünner, 
gleichsam verhalten-tastender Linienführung ein über einen bärtigen Kopf und kurzen Nacken 
gestülpter Helm, dreimal daneben dasselbe lange männliche Modell in Helm, Brustharnisch, 
Arm- und Beinschienen. Es ist der eine der fünf Speerträger, die mit der Last ihrer ver- 
wundeten Genossen beladen im Mittelgrund über die Bühne schreiten; hier zweimal der 
zweitvorderste, in kleinen Schritten sorgsam vorwärts marschierend, einmal der vierte, 
der Hintermann der langbeinigen Mittelfigur des Bildes, der schwerer zu tragen scheint 
und in Hüfte und Schenkeln etwas stärker ausweicht. — In einigen Mädchen- und 
Frauenfiguren aus einem Zeitraum von weniger als einem Jahrzehnt wird die Lösung
	        
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