DG Jahresbericht 1919 der Zürcher Kunstgesellschaft
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Die Landoltsche Sammlung.
Von Dr. W. Wartmann.
Das Zürcher Kunsthaus ist nicht allein durch das Haus zum Lindenthal, das
jetzt zu einem Heim der Zürcher Malerei des 18. und 19. Jarhunderts ausgestaltete
«Landolthaus», mit dem Andenken an den Stadtrat J. Heinrich Landolt verbunden. Das
gleiche Testament vom 4. Dezember 1883, das Haus und Garten für den Dienst der
Oeffentlichkeit bestimmte, verfügte auch, dass die Bildersammlung des Hausherrn
und seine Mappen mit Zeichnungen und Aquarellen dereinst der Zürcher Künstler-
gesellschaft zufallen sollten. An die Stelle der alten Künstlergesellschaft ist die Kunst-
gesellschaft getreten, und nach dem Hinschied von Frau Stadtrat Landolt gingen im Jahre
1918 die Sammlungen an diese über. An einem der letzten Sonntage erhielten vorerst
die Mitglieder der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde Gelegenheit, ihre Bestände kennen
zu lernen. Seither sind sie in einer kleinen Ausstellung in den Bibliothek-
räumen für alle Kunsthausbesucher zugänglich.
Die Auswahl beschränkt sich auf die Gruppen, die Geist und Art der Sammlung
in bezeichnender und glücklicher Weise vertreten. Das ausgehende 18. Jahrhundert
gelangt zum Wort in seinen beiden Strömungen, deren eine vor einer Traumwelt von
nur gedachter Reinheit und Beseeltheit das unerbauliche Dasein zu entrücken strebt, die
andere es greifbar nah an sich heranzieht, um es in seiner Lächerlichkeit und Enge mit
Humor oder geschäftiger Sachlichkeit zu meistern; nach der Strenge der Napoleonischen
Zeit dann eine Romantik, die auf den Märchenreiz entlegener Vergangenheit horcht, oder
die Massen einer Landschaft ins Uebernatürliche, Heroische aufeinander baut und auftürmt.
Die heitern Väter der alten Künstlergesellschaft führen. Von ihrem Vorgänger
Salomon Gessner fügt sich eine arkadische Szene nach Farbe und Stimmung aufs
schönste zu zwei Blättern aus älterm Besitz der Zürcher Kunstgesellschaft, die rechts
und links neben ihr aufgereiht sind. Friede in der Natur und völliger Einklang ist bei
allen dreien Inhalt und Ziel der Darstellung. Wolkenwandern, Wasserströmen, Herden-
ruhe und ein engverflochtenes, alles beherrschendes Baumleben erfüllt diese Bilder und
verzaubert auch ihre Hirten und Hirtinnen in glücklich wunschlose Naturwesen, in
schöne, sanfte Faune und scheue Nymphen.
J. B. Bullinger und Heinrich Wüest bleiben näher ihrer Zeit und der zürcheri-
schen Wirklichkeit. Bullinger lässt unter hohen Bäumen eine Familie am Waldrand rasten;
aber Stämme und Aeste neigen sich nicht so innig zu einander wie bei Gessner, der Bach
ist rascher, Weg und Steg geben sich unbefangen als Menschenwerk, und der Wald
lichtet sich für einen Ausblick auf Berg und See, Dorf und Schiffe. Wüest wählt ein
schattiges Bachbett mit bemooster Quaderbrücke, auf deren Höhe Menschen und Vieh