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Jahresbericht 1919 der Zürcher Kunstgesellschaft _
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über neuere Kunst von Prof. Kinkel besonders lebhaft vertreten wurde, ein Legat von
Fr. 10,000.— ausgesetzt. Erwerbungen von irgend welcher Bedeutung waren aber einst-
weilen nicht gemacht worden. Für den Ankauf der etwa 18,000 Blätter zählenden Bühl-
mannschen Sammlung bildete sich nun auf Betreiben von Stadtrat Landolt und des dama-
ligen Präsidenten der Künstlergesellschaft eine Vereinigung von Zürcher Kunstfreunden,
lie in Stadt und Land bei Privaten bis auf Fr. 18,000.— freiwillige Beiträge zusammen-
brachte; der Zürcher Stadtrat bewilligte seinerseits noch Fr. 2500.—, so dass mit Benützung
Jes Legates von Bürgermeister Hess und einem eidgenössischen Beitrag die Sammlung
für Fr. 42,000.— gesichert werden konnte.
Der Zürcher Künstlergesellschaft gehörte Stadtrat Landolt seit 1861 an; 1881, «in
einem sehr schwierigen Moment, als stürmische Ereignisse im Schosse der Gesellschaft
den Rücktritt eines langjährigen verdienten Präsidenten zur Folge gehabt hatten und die
Gemüter in eine gewisse Spannung geraten waren», übernahm er das Präsidium. Seine
überlegene Persönlichkeit brachte der Gesellschaft wieder eine Periode gedeihlicher Ent-
wicklung und wachsenden Ansehens. Besonders wird hervorgehoben, dass es ihm möglich
wurde, «die Pflege der bildenden Künste denjenigen Kreisen der Stadt wieder näherzu-
legen, denen zwar reichliche Mittel zu Gebote standen, die aber neben Geschäfts- und
sonstigen Ansprüchen fast nur gewohnt waren, das Recht der Musik auf ihr Interesse
anzuerkennen». Die Gesellschaftsabende belebte er durch Vorweisungen aus seiner
Kupferstichsammlung und Referate über seine Kunstreisen zu den grossen Ausstellungen
in Paris, Berlin, München. Gesundheitsrücksichten zwangen ihn schon im Herbst 1883
zum Rücktritt. Vorher hatte er sich noch um die allgemeine schweizerische Kunst-
ausstellung verdient gemacht; er nahm die Anmeldungen der Künstler entgegen, besorgte
die deutsche Ausgabe des Kataloges und teilte sich mit Rudolf Koller und Architekt
Bluntschli in die Organisationsarbeiten. Sogar sein Haus öffnete er für die vorläufige
Einlagerung der eintreffenden Werke.
Vergegenwärtigt man sich dieses Leben, so werden die letztwilligen Verfügungen
nur endgültige Bestätigung einer stets gehegten und betätigten Kunstfreude und Menschen-
liebe. Haus und Garten bestimmte er einem gemeinnützigen Zweck und nannte
bereits eine Kunstschule oder ein Ausstellungsgebäude. Die ganzen Kunstsammlungen
mit der zugehörigen Bibliothek vermachte er der Künstlergesellschaft, die Kupfer-
stichsammlung allerdings mit dem Vorbehalt, dass, nachdem die Künstlergesellschaft was
ihr diene, «also hauptsächlich Schweizerisches», vorweggenommen habe, die Sammlung des
Eidg. Polytechnikums daraus sich soweit als wünschbar ergänze und schlechte Blätter ihrer
eigenen Sammlung durch gute aus der Sammlung Landolt ersetzt werden, wogegen der
verbleibende Rest bei einer Verwertung durch das Haus Boerner in Leipzig immerhin
für die Künstlergesellschaft noch einen ansehnlichen Beitrag an den. Gemäldefonds
abwerfen sollte. Wenn die Vertreter der Künstlergesellschaft über die weitgehende Art,
wie Prof. Kinkel von dem ihm eingeräumten Vorrecht Gebrauch machte, einigermassen
betroffen gewesen zu sein scheinen — von den 14,000 Blättern der Sammlung Landolt
wählte das Eidg. Kupferstichkabinett 8200 neu und 930 zum Tausch, im damaligen
Gesamtwert von 30,000 bis 35,000 Fr., darunter allein (nach damaliger bescheidener
Schätzung) Dürer-Stiche und -Holzschnitte für 5000 Fr., während die Künstlergesellschaft
sich mit einem Sammlungszuwachs und Verkaufserlös von zusammen 8000 Fr. zufrieden
gyeben musste: so würden sie es wohl eher haben verschmerzen können, wenn sie geahnt