Jahresbericht 1929 der Zürcher Kunstgesellschaft
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behörden als Eigentum der Gottfried Keller-Stiftung dem Kunsthaus überwiesenen
vierten Tafel ihren Platz im Zürcher Kunsthaus einnehmen konnten. Die Verei-
nigung der vier als Innen- und Aussenseiten von je zwei Flügeln des gleichen Altars
zusammengehörenden Bilder konnte im Herbst mit einer Zürcher Nelkenmeister-
Ausstellung festlich begangen und für die Abklärung der Zusammenhänge unter
den verschiedenen dem Meister bisher zugeschriebenen Werken im Schweizerischen
Landesmuseum, im Berliner Kaiser Friedrich-Museum, in der Sammlung des Bischofs
von St. Gallen und in der Karlsruher Kunsthalle, sowie der Beziehungen zwischen
seiner Persönlichkeit und dem ältern Hans Leu fruchtbar gemacht werden. Sie
beleuchtete für kurze Zeit einen Abschnitt Zürcherischer Kunst vom Ausgang
des Mittelalters, von dem weitere Kreise bisher kaum etwas geahnt hatten. Die
vier dem Kunsthaus auch nach der Ausstellung verbleibenden Tafeln halten ihre
wesentlichen Züge für alle Zeiten fest.
Von anderer Art war die Persönlichkeit von Alfred Rütschi, und sein Ein-
treten für die Aufgaben des Kunsthauses. Wenn er seit dessen Bestehen in rasch
sich eng und lebhaft gestaltender Verbindung an seinen Unternehmungen durch
persönliche Aussprache und durch Ankäufe in den Ausstellungen und gelegentliche
kleinere Schenkungen Anteil nahm, so entschloss er sich nach 1916 zu unmittel-
barer und entscheidender. Mitarbeit. Entzündet am Beispiel Ferdinand Hodlers
in der grossen Gesamtausstellung des Zürcher Kunsthauses, gewiss eben 8o sehr
an seiner persönlich-ethischen wie an seiner künstlerischen Grösse, schuf er mit
zielbewusster Tatkraft alle Grundlagen für die Vereinigung Zürcher Kunstfreunde
und stellte „tambour battant“ die Vereinigung ins Leben und vor die Aufgaben,
die er für sie sah. Als Sammler für seinen engern Kreis und als Förderer von
Aufgaben der öffentlichen Kunstpflege stellte er in sich ein Beispiel auf, wie
nur er es vermochte, und das auch für keinen andern als einen Menschen seiner
Art verbindlich sein konnte. Jede Ausstellung wurde ihm Verpflichtung zu
ernstester Selbstbefragung und innerlicher Auseinandersetzung mit den dar-
gebotenen Kunstwerken, und wo er sich angeregt fühlte, erwarb er einige Werke,
um sich in seinen Arbeits- und Wohnräumen mit ihnen zu umgeben. Es kam
dazu, dass er, wo immer er sich berührt fühlte, über die Werke hinweg auch
mit den Künstlern in Verbindung trat.
Ein Erlebnis von ähnlicher Tiefe wie Hodler wurde ihm Munch; und Munch,
ritterlich und wahrhaft frei, grüsste in dem Schweizer Kaufmann, was er da als
ihm selbst verwandt erkannte. Seit etwa 1920 war bei Alfred Rütschi neben das
Interesse an der bildenden Kunst die Beschäftigung mit seiner Sammlung von
Goldschmiedearbeiten getreten. Angeregt durch den Wunsch, vor der Zerstreuung
zu bewahren, was Roman Abt an Arbeiten von verschiedener Art und Bedeutung