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Jahresbericht 1933 der Zürcher Kunstgesellschaft
Sammlung
Das Jahr 1933 zeichnet sich für das Kunsthaus gegenüber früheren durch Erwer-
bungen von aussergewöhnlicher Bedeutung und Anzahl aus. Wie der Horizont, den die
Ausstellungen öffnen, beschränken sich auch die Ankäufe für die Sammlungen, das zür-
nherische Museum, nicht auf einen dogmatisch abgegrenzten engeren zeitlichen oder geo-
sraphischen Ausschnitt der in ihrer Erscheinung so mannigfaltigen bildenden Kunst Europas.
Sie suchen die Kunst im Werk, das am stärksten von ihr durchdrungen, und in der Form,
lie am meisten nur durch sie, nicht andersartige Regungen und Absichten geschaffen ist.
Für die Gruppe der Skulpturen wurde ein nicht sehr grosser, aber formschöner weib-
licher Torso von Wilhelm Lehmbruck von 1910/11 in einem frühen Zementguss ange-
kauft. Die seit 1921 bestehende Abteilung älterer schweizerischer Malerei konnte um eine
Tafel von Hans Fries aus dem ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts bereichert werden, mit
siner sattfarbigen, sorgfältig durchgemalten Anbetung des Christkindes und einer weniger
gut erhaltenen freskoartigen Kreuzschleppung. Das grosse Blumenbild von Eugene Dela-
eroix gehört zu einer Reihe ausserhalb F rankreichs wenig bekannter Blumenstücke, die in
der Mehrzahl zwischen 1840 und 1850 in Champrosay und Nohant entstanden sind; wenn
in Zürich bei der ersten Begegnung das bei Delacroix sonst ungewohnte Thema des nicht
zignierten Bildes zu überraschen vermochte, so ergaben Nachforschungen in Paris ausser
der Zustimmung bester französischer Kenner mit dem Nachweis der Vorbesitzer, mit Auk-
tionskatalogen und Nachlasstempel eine Kette von objektiven Zeugnissen, die das Werk bis
in das Atelier des Künstlers zurück verfolgen liessen; an sich zeigt das Bild die stolze Sicherheit
der Handschrift und das beschwingte Pathos wie irgend eines seiner populären figürlichen
Werke. Aus dem Jahr 1898 stammt die «Bar» von Toulouse-Lautrec, sie wurde ebenfalls
durch die Ausstellung französischer Malerei vom Sommer 1933 in den Gesichtskreis der
Sammlungskommission gerückt. Weniger zusammengerafft in Pinselstrich und Komposi-
tion, dafür freigebiger mit sinnlich malerischen Reizen sind das «Liebespaar mit Katze»
von 1917 von Oskar Kokoschka, und das «Begräbnis in Telemark» des jungen Norwegers
Harald Dal. Die «Treppe» von 1913 von Fernand Leger steht als «abstraktes» Bild in
Shnlicher Verschiedenheit neben dem im Vorjahr angekauften «Lesepult» von Picasso.
Als Ersatz für die Verluste aus dem Brand des Münchener Glaspalastes wurde ein grosses
neues Bild von Cuno Amiet «Kikou im Grünen» 1932 beim Künstler angekauft, als wert-
volle Vertretung eines westschweizerischen Meisters ein «Lesendes Mädchen» von A. Her-
manjat. In die Kopiensammlung des Legates Armin Honegger gelangte eine «Vision des
heiligen Eustachius» von Ernst Georg Rüegg nach dem Bilde des Pisanello in der Lon-
doner Nationalzalerie.
Schenkungen und Leihgaben geben und erhalten mit den Ankäufen zusam-
nen mehr Bedeutung und Gewicht im Rahmen des Jahres, wie der ganzen, in Jahren und