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Jahresbericht 1935 der Zürcher Kunstgesellschaft
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Der Bericht der Künstlergesellschaft von 1892 spricht mit dem Dank an den bejahrten
Friedrich Ulrich-Heusser die Hoffnung aus, dass es seinem Sohn, Paul Ulrich-Schulthess,
beschieden sein möge, als sein Nachfolger nicht weniger lang das Amt des Hausinspektors
für Prüfung und Leitung aller baulichen Angelegenheiten zu verwalten. Dreiunddreissig-
jährig trat dieser jetzt in den Vorstand, der seit 1889 unter der klugen und lebendigen
Leitung von F. O. Pestalozzi stand, und dem längst auch Rudolf Koller als Mitglied an-
gehörte. Schon im nächsten Jahr verwendete sich die Kunstgesellschaft für die Erhaltung
des alten Kaufhauses und seinen Umbau zum Ausstellungsgebäude, ohne Erfolg, und schritt
darauf entschlossen zur Ausschreibung einer Konkurrenz für die Erweiterung des Samm-
lungsgebäudes und Gewinnung von Ausstellungsräumen im Künstlergütli. Das Preisgericht
wurde bestellt aus dem Stadtpräsidenten, dem Präsidenten der Künstlergesellschaft, je
einem Architekten aus Bern und aus Basel, und Paul Ulrich. 1894 betraute die Künstler-
gesellschaft eine neue Kommission mit der Prüfung des von der Jury mit einem zweiten
Preis bedachten Entwurfs und gleichzeitig eines schon früher von Paul Ulrich aus-
gearbeiteten Projektes.
Weder das seine noch das preisgekrönte gelangte zur Ausführung. Während die hundert-
jährige und durch verschiedene Vermächtnisse und Schenkungen eben erst ziemlich
begütert gewordene Künstlergesellschaft noch auf ihrem angestammten Besitz am Berg-
hang droben die dringend nötige Lösung suchte, hatten ganz andere Kreise auf ihre Art
sich um die Förderung der Kunst in Zürich bemüht. Sie stellten dabei einstweilen die
lebendige Verbindung mit der zeitgenössischen Kunst in die erste Linie. Kaufleute,
Industrielle, Künstler schlossen Ende 1894 sich zusammen, um für Zürich das Institut
einer «permanenten Ausstellung» für Künstler aller Nationen und Richtungen zu schaffen.
Im Januar 1895 wurde in einem Raum des Hotel Baur au lac mit den ersten Ausstellungen
begonnen. Bald stand an der Ecke Talgasse / Börsenstrasse ein provisorisches Ausstellungs-
gebäude, das «Künstlerhaus», und der neue Verein «Künstlerhaus» zählte im Sommer 1885
schon 500 Mitglieder. Sein eigentliches Programm war die Erstellung eines zürcherischen
Kunstmuseums und Ausstellungsgebäudes, für welches der reiche Seidenhändler Gustav
Henneberg aus Görlitz dem Verein gleich im Anfang einen Beitrag von Fr. 80 000 zusagte.
So stark die Gegensätze zwischen den zwei Gesellschaften nach ihrer Zusammensetzung
und Stellung zu den aktuellen Kunstfragen sein mochten, jede brachte und opferte, was
dem gemeinsamen höhern Zweck dienen musste. Im Frühling 1896 gingen beide auf in
der neuen «Zürcher Kunstgesellschaft». Nähte waren wohl anfänglich und noch Jahr-
zehnte hindurch sichtbar; im übrigen entsprach es der Uebereinkunft auf Gleichwertig-
keit und Gleichberechtigung, dass der Vorstand der Zürcher Kunstgesellschaft unter dem
neu berufenen Präsidenten Dr. C. von Muralt zu gleichen Teilen aus ehemaligen Vor-
standsmitgliedern der beiden Vereinigungen bestellt wurde. Paul Ulrich vertrat mit
F. O. Pestalozzi, Rudolf Koller, Dr. C. Brun die Künstlergesellschaft.
Die starke Beteiligung kaufmännisch veranlagter Persönlichkeiten in der neuen Gesell-
schaft und die Anwesenheit des Stadtbaumeisters Gustav Gull im Vorstand waren geeignet,
die Neubaufrage auf einen breiteren Boden zu stellen. Projektskizzen für ein Kunst-
gebäude am Seeufer zwischen Theater und Utoquai oder im südlichen Teil des alten Ton-