Volltext: Jahresbericht 1939 (1939)

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Jahresbericht 1939 der Zürcher Kunstgesellschaft 
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Schulter des zweiten Spähers aufsteigt. In den Reproduktionen bei Grautoff stehen vor 
der weißen Wolke nur zwei dünne Ruten. Der abgebrochene Stamm, aus dem erst wieder 
die Zweige zu treiben beginnen, ist in den Baumlandschaften von Poussin nicht selten, 
z. B. in der Erziehung des Jupiter, Grautoff II Nr. 63, im Triumph des Bacchus, Grau- 
toff II Nr. 86. Der Verkäufer oder Vermittler unseres Bildes hat die Zeichnung misver- 
standen und geglaubt, eine Fehlstelle decken zu müssen. Die wenig ausgedehnte Ueber- 
malung ist leicht als neu feststellbar und wird wieder weg genommen werden. 
Tafel IV Eugene Delacroix, 1798—1863, 
Orangenverkäufer in Marokko. 
Oel auf Leinwand, 34X27 cm, bez.: Eug. Delacroix. 
In weißem Kleid, aus welchem tiefbraune Haut und rote Aermel heraustreten, sitzt der 
Maure zwischen den rotgoldenen Kugeln; Erdboden gelblichbraun, Baum dunkel blaugrün, 
Ferne hell bläulich-grünlich, Himmel blau. Delacroix-Ausstellung Paris 1930, Nr. 61, Col- 
lection M. P. Peytel; Delacroix-Ausstellung Zürich 1939, Nr. 320, hier für die Sammlung 
erworben. 
Im Januar 1832 erhielt Delacroix die Möglichkeit zu einer Studienreise nach Nord- 
afrika. Ein französisches Kriegsschiff brachte ihn als Gast des außerordentlichen fran- 
zösischen Gesandten an den Sultan von Marokko, des Grafen Charles de Mornay, vorerst 
von Toulon der spanischen Küste entlang nach Tanger, jenseit der Säulen des Herkules. 
Nach feierlichem Empfang durch den Pascha von Tanger und längerer Wartezeit brach die 
Gesandtschaft Anfang März im Schutz des Scheichs Mohammed Ben Abu und seiner 
Krieger nach Meknes an den Hof des Sultans auf und erreichte in zehn Tagereisen zu 
Pferd die an der Abdachung des mittleren Atlas gelegene Stadt. Nach Abschluß der Ver- 
handlungen mit dem Sultan traf die Mission am 12. April wieder in Tanger ein. Während 
sie hier auf das Vertragsdokument wartete, stellte Graf Mornay dem Maler das Schiff für 
eine Ueberfahrt nach Spanien zur Verfügung. Delacroix durchstreifte während zehn Tagen 
Andalusien mit Cadix und Sevilla bis zur Rückfahrt nach Tanger. Tanger wurde am 
10. Juni verlassen zur Rückfahrt in das Mittelmeer, am 25. Juni über Oran Algier erreicht. 
Während des kurzen Aufenthaltes in Algier fand Delacroix Zutritt zum Harem eines ein- 
heimischen Hafenbeamten. Am 5. Juli endete die Reise wieder in Toulon. 
Die Briefe des Künstlers überströmen von der Gewalt und Fülle der Eindrücke, die er 
in dem damals noch kaum zugänglichen und erschlossenen Land aufnahm. In schriftlichen 
Notizen und in Zeichnungen, die er am Abend nach dem noch frischen Erinnerungsbild 
aquarellierte, erraffte er davon tagtäglich, was er nur vermochte. Allein die Pariser Aus- 
stellung von 1930 vereinigte über 100 Einzelblätter und vier Sammelmappen und Skizzen- 
bücher mit 172 Blättern, darunter das Album des Baron Vitta mit 31 Quartbogen, auf 
denen gelegentlich bis zu zwei Dutzend rasch gefaßte Köpfe und Figuren sich zusammen- 
drängen. Aus dem Hort dieser Skizzen und dem dahinter stehenden Erlebnis erblühen 
von 1832 bis 1862 mit Figuren von Kriegern, Pferden, Fürsten, Spaßmachern, Musikanten, 
Odalisken, bis zu den großen Repräsentationsstücken vom Hof des Sultans, und zu den 
«Frauen von Algier», gegen 40 Bilder. 
Der marokkanische Orangenverkäufer im Zürcher Kunsthaus ist nach dem Umfang 
eines der kleinsten, nur wenig größer als die Odaliske des Louvre und der arabische
	        
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