L0
Jahresbericht 1941 der Zürcher Kunstgesellschaft
DO
von Rodolphe Bolliger, Charles Clement, Martin Lauterburg; Sektion Zürich der Gesell-
schaft Schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten mit einer Radierung von Heinrich
Müller. Sodann von Neujahrskarten und anderen Gelegenheitsblättern, meist freundlichen
Spenden der Künstler selber, wie Arnold Brügger, Josef von Diveky, Charles Hug, Ferdinand
Kaus, Gregor Rabinovitch, Max von Moos.
Der Graphiker August Aeppli überreichte der Sammlung seine 26 Holzschnitte zum
Neuen Testament in Handdrucken, Herr Direktor Werner Einstein den Lichtdruck nach
der im Berichtsjahr erworbenen Silberstiftzeichnung «Bildnis Adolf Loos» von O. Kokoschka
mit einem apart zugespitzten Aphorismus des Dargestellten. Als Beitrag zur Sammlung von
Künstler-Autographen schenkte Herr E. Wehrli der Sammlung einen eigenhändigen Brief
von Rudolf Koller an den Dichter Conrad Ferdinand Meyer vom 27. Juni 1898.
Die summarische Berichterstattung über die Ankäufe von Druckgraphik hebt die Zu-
sammenhänge sichtbarer hervor, innerhalb welcher diese Erwerbungen liegen, als die Auf-
führung der einzelnen Werke für die Skulpturen, Gemälde und Zeichnungen dies vermag.
Doch gelten für jede Entscheidung auch über die an sich bescheidenste Erwerbung und
jede Möglichkeit der Uebernahme einer Leihgabe oder eines Geschenkes die Verpflichtung
und der Wille zur Entscheidung nur aus der Vorstellung einer künstlerischen und geschicht-
lichen Einheit der Sammlung heraus, der Vorstellung eines im freiesten und zugleich
strengsten Sinn kunst-geschichtlichen Organismus. Als Ganzes wird dieser Organismus stets
größer wachsende Aufgabe, stets wachsende und neu verpflichtende Idee sein, und über
der Verwirklichung nur von Teilen der Gesamtvorstellung mögen in den Reihen der inner-
halb und außerhalb der Aufgabe Stehenden Menschenleben vergehen und die Figuren
wechseln.
Wenn es im Lauf verflossener Jahrzehnte gelungen ist, für das Kunsthaus das Bild
einer Hodler-Sammlung von bestimmtem Gepräge zu verwirklichen, so stehen in der Zu-
wachsliste eines einzigen Jahres wie der vorliegenden die Skulpturen von Bick, Haller,
Hubacher und die Gemälde von Agasse, Diogg, Munch, Klee nur äußerlich vereinzelt und
einander fremd. In Wahrheit haben sie ihren Platz im Rahmen größerer Einheiten, die in
der Sammlung noch als Aufgabe oder schon als Erscheinung bestehen.
Die Aussicht auf die zweite Kunsthauserweiterung bedeutete eine neue Aufforderung,
auch für die Sammlung einfach und klar zu planen. Mit dem Blick auf sie wurden die Ent-
schlüsse für die in ihrer Vielzahl vielleicht da und dort überraschenden Erwerbungen
von Johann Heinrich Füssli gefaßt. Nach dem einstweiligen Abschluß der Sammlung von
Füssli-Zeichnungen durch die Erwerbung der Zürcher Sammlung P. H. im Jahre 1940 bot
die Gedächtnisausstellung von 1941 eine nach jeder Richtung einmalige, nie mehr wieder-
kehrende Möglichkeit zur Aufstellung eines Füssli-Bilder-Saales für jetzt und alle Zukunft
in Zürich als der Vaterstadt des Künstlers, wie es ihn für die späteren Zürcher Meister Ru-
dolf Koller und Albert Welti bereits besitzt. Zu dem Geschenk von 1847, dem «Gespräch»,
waren von 1913 bis 1938 sechs weitere Bilder nicht zufällig, aber nur mit möglichst über-
legener Benutzung an sich zufälliger Gelegenheiten gekommen, mit denen die für das Werk
von Füssli so bedeutungsvollen Ideenkreise aus Shakespeare und Homer nicht vertreten
waren. Die sieben Neuerwerbungen umfassen drei Hauptwerke nach Shakespeare, zwei der
besten Kompositionen aus Homer, ein spätes Nibelungenbild und die malerische Verklä-
rung von Miltons dichterischer Verklärung des Todes eines begnadeten Jünglings in der
Elegie «Lycidas».