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Jahresbericht 1941 der Zürcher Kunstgesellschaft
BE
JT.
Die begreifliche und berechtigte Freude, die aus dem schönen aber doch recht entrückten
Künstlergütli erlöste Sammlung in den neuen Räumen des Kunsthauses von 1910 zu sehen,
wich bald der unabweisbaren Erkenntnis, daß doch manches versäumt und vieles nach zu
holen war. So wurde noch 1910 für 10 000 Fr. aus einer Basler Sammlung der 1887 datierte
«Heiratskontrakt» von Albert Anker erworben und für 880 Fr., die man sich von einem
Freund des Kunsthauses schenken lassen konnte, die Ofenbank mit den zwei schlafenden
Kindern. Bestürzung brachte 1912 der Tod von Albert Welti. Zürich, seine Vaterstadt,
besaß damals von ihm nur das allerdings meisterliche Doppelbildnis seiner Eltern als
Leihgabe des Bundes von 1902 und kaum die eine und andere seiner Radierungen. Mit
siner «Welti-Aktion», der Gedächtnisausstellung von 1912, und der Aufstellung und Druck-
legung eines Oeuvre-Kataloges kamen die Mittel zusammen, um dem Kunsthaus die Er-
werbung des vollständigen graphischen Werkes, meist in mehrfachen Zustandsdrucken, und
eine entscheidende Gruppe der ja nicht zahlreichen Tafelbilder zu sichern.
Neben dem Münchener-Zürcher Welti bestand aber schon die unter bernischer Führung
mächtig heraufsteigende schweizerische Kunst der «Hellmaler» Amiet, Buri, Giovanni
Giacometti, die in Deutschland, vor allem in den «Ländern am Rhein», recht hoch ge-
schätzt und bezahlt wurden. Das Zürcher Kunsthaus gab Buri einen Auftrag für 10 000 Fr.
und kaufte Bilder von Amiet und Giovanni Giacometti, so weit seine schweizerisch be-
scheidenen Mittel ihm dies erlaubten. Hoffnungs- und aussichtlos erschienen in diesen
Jahren, kurz nach 1910, die Bemühungen um Ferdinand Hodler. Er war nach andauernder
Verkennung in der Schweiz, nun in den begüterten und gesellschaftlich maßgebenden
Schichten in Oesterreich und Deutschland entdeckt und «Mode» geworden. Das Kunsthaus
verwahrte als Leihgaben des Bundes den Schwingerumzug und den Verwundeten Krieger
mit Schwert zum Rückzug von Marignano, aus Privatbesitz vier dekorative Kriegerfiguren
von der Schweizerischen Landesausstellung in Genf von 1896, als Eigentum die Heilige
Stunde von 1907, die dank einer Schenkung von 14 000 Fr. aus einem Zürcher Hause hatte
erworben werden können, das Mädchenbildnis «Fräulein Thiele» und eine Abendland-
schaft aus den Berner Voralpen. Es schien dazu verurteilt, mit diesem an sich ehrenvollen,
aber im Verhältnis zur Fülle und Wucht des Gesamtwerkes von Hodler doch noch be-
scheidenen Besitz, für immer bei Seite stehen zu müssen, während aus dem anscheinend
unerschöpflichen Vorrat und von der Staffelei des Künstlers große und kleine, alte und
neue Bilder mit Rekordpreisen in den Kunsthandel und zu den vornehmlich ausländischen
Sammlern und Museen strömten.
Mit Ereignissen, die außerhalb der zürcherischen Sphäre lagen, änderte sich in der
Folge die Situation. In Zürich selber bildeten sich im Freundeskreis von Hodler Samm-
lungen; die gemeinsam mit ihm vorbereitete Gesamtausstellung von 1917 gewährte Ein-
blick in die Zusammensetzung des bisher kaum übersehbaren Gesamtwerkes; eine
c«Hodler-Aktion» brachte Mittel und Menschen zusammen und mündete in die Gründung
Jer Vereinigung Zürcher Kunstfreunde, die ihre ersten Erwerbungen für das Kunsthaus in
Jer Hodler-Ausstellung vornahm; und neben einer Reihe von Gönnern und Helfern, zu
Jenen nun auch die Behörden traten, erstand dem Kunsthaus in Alfred Rütschi ein Freund,
der aus der Verehrung für den Menschen und Künstler Hodler die Mitte seines Glaubens