Jahresbericht 1946 der Zürcher Kunstgesellschaft
Im Sommer 1946 hätte die Zürcher Kunstgesellschaft Anlaß gehabt, ein Fest zu
feiern. Im Sommer 1896 schlossen die mehr als hundert Jahre alte „Zürcher Künstler-
gesellschaft“ und der in Opposition zu dieser eben erst gegründete „Verein für bil-
dende Kunst Künstlerhaus“ mit Aufgabe ihrer eigenen Existenz und Bezeichnung
unter dem Namen „Zürcher Kunstgesellschaft“ zu gemeinsamem Wirken sich zu-
sammen. In fünfzig bewegten, von vielfacher innerer und äußerer Unruhe durch-
rüttelten Jahren hat die Kunstgesellschaft seither, von den Zeiten der Idylle im
Künstlergütli und den aufregenden Ausstellungen in der Kunstbaracke bei der al-
ten Börse, zum Kunsthaus von 1910 und zum erstmalig erweiterten Kunsthaus von
1924 und an zwei Kriegen vorbei sich durchgerungen. Es paßt zu dem auch für sie
geltenden Wahlspruch „Fluctuat nec mergitur“ der Stadt Paris, daß sie, wo sie hätte
sollen jubilieren dürfen, sich nur vor neue Sorgen und Schwierigkeiten gestellt sah,
und die Stunde eben anderes verlangte als rückschauende Einkehr und dankbares
Verweilen bei Erreichtem.
Der Druck und die Anforderungen der Nachkriegszeit, die ja immer noch nicht
Friedenszeit werden will, und die durch sie beeinflußte allgemeine Stimmung ließen
eine öffentliche Feier als nicht zeitgemäß erscheinen. Papiermangel, Mangel an Ar-
beitskräften, Zeitmangel stellten sich der Ausgabe einer Denkechrift entgegen. Der
Mangel an Heizmaterial für die Büro- und Ausstellungsräume im Kunsthaus drohte
nach den bedauerlichen Erfahrungen im Vorjahr mit noch Schlimmerem. Der schon
zu Beginn des Jahres durch vorausgegangene Ankaufsbeschlüsse stark beanspruchte
Sammlungsfonds von wenig mehr als Fr. 100 000 mußte vor weiteren wichtigen An-
kaufsnotwendigkeiten versagen; mit einem Betriebsfonds von noch rund Fr. 60 000
bei einem voraussichtlich eben so großen Betriebsdefizit auf Ende des Jahres ganz
einfach die Voraussetzung für das Weiterbestehen des Kunsthauses als Ausstellungs-
institut und zürcherische Kunstsammlung dahinfallen.
Wenn Sorge um die Erfüllung der einmal übernommenen hohen Aufgabe über
Sorge um die Existenz gestellt werden darf - navigare necesse est, vivere non necesse
est - so hat sich das Kunsthaus im letzten Jahr dieses Leichtsinns schuldig gemacht.
Die verschiedenen Abschnitte dieses Berichtes erinnern vorerst an die Reihe der ge-
haltvollen Ausstellungen, sodann zählen sie die Ankäufe und Schenkungen für die
Sammlung auf, mit Werken von Goya, Courbet, Cezanne. Forain, Munch und nam-