Meer als Schauplatz reich befrachteter menschlicher Tragödien,
als Ort großer, erhabener Historie: das zunächst noch vorhandene
figürliche Beiwerk (1868 zum Beispiel «femme ä la vague») ver-
schwindet, und schließlich kommt es zur Apotheose der Woge als
eines Inbegriffs urtümlicher Naturkraft.
In den Bildern Monets und der Impressionisten überhaupt
tritt der elementare, «geschöpfliche» Aspekt völlig zurück. Das
Meer erscheint hier als rein optisches Phänomen, als besonders
günstiger Anlaß, die vielfältigsten schillernden Netzhautsensatio-
nen zu spiegeln, als «farbiger Abglanz ozeanischen Lebens»,
nachdem schon Turners leuchtende Visionen, bei aller traumhaft
schwebenden Irrealität, so oft den bloßen Augenschein duftiger
Farbschleier aus dunstiger Atmosphäre wahrgenommen hatten.
Vollends Seurat und Signac unterwerfen auch die See der rech-
nend abstrahierenden Behandlung ihres nach dem Gesetz streben-
den programmatischen Pointillismus. — Um auf Manets «Evasion
de Rochefort» zurückzukommen: sie steht in der Mitte zwischen
der Auffassung Gericaults, Delacroix’ und Courbets einerseits,
derjenigen der Impressionisten anderseits.
Die Spuren von Dramatik, von tragischem Lebensgefühl sind
weitgehend getilgt. Dieser Umstand äußert sich vor allem darin,
daß die Menschen im Boot keinen unverwechselbaren Persönlich-
keitswert — die unerläßliche Bedingung von so etwas wie Tra-
gik — mehr besitzen. Ihnen ist, in einem wörtlichen Sinn, das
Gesicht genommen; lediglich die Züge Rocheforts gelangen zu
beiläufig genauer, aber durchaus maskenhaft starrer Vergegen-
wärtigung, während die Physiognomien seiner Gefährten im
unbestimmt Amorphen, skizzistisch Aufgelösten verharren, und
das erst recht in der endgültigen Fassung. Dieses Boot trägt nicht
eigentlich schicksalsbeladene Individuen, und desgleichen verlor
diese weite Wasserfläche, wiewohl sie sich gegen den Horizont
hin zusehends verdüstert, die besonderen Qualitäten einer tosen-
den und wilden Urgewalt. Die Substanz der Wellen, der Wogen
scheint sich zu verflüchtigen; das Grundprinzip der Malerei
Manets tritt zutage: das Dargestellte erleidet eine radikale Reduk-
i2