Was nun jene Wendung im Schaffen Braques betrifft, die
sich besonders rein auch in dem vorliegenden, 1923 entstan-
denen Werk ausspricht, so bekundet sie sich als konsequente
Einschränkung auf restlos vom Auge erfaßbare Bildelemente,
als Verzicht auf jede «ideologische» Programmatik, als Be-
kenntnis zu einer Welt, der es vorbehalten ist, in Formen und
Farben makellose, von außermalerischen Problemen unbe-
rührte Sichtbarkeit zu gewinnen, gemäß dem Wort des Malers:
«Ein Bild ist vollendet, wenn es die Idee ausgelöscht hat».
Denn darüber kann doch wohl kein Zweifel bestehen, daß
der analytische Kubismus auf dem Boden einer rigorosen Be-
grifflichkeit und Ideologie erwachsen ist: er konstituiert das
nichtgegenständliche Bild mittels einer bewußten, verstandes-
mäßigen Konstruktion, in deren Vergegenwärtigung sich das
Bild als Gefüge geometrischer Formfragmente aus Quadraten,
Rechtecken, Dreiecken, Kuben, Prismen, Kegeln der alltäg-
lichen Wirklichkeit eigengesetzlich und souverän gegenüber-
setzt. Diese Freiheit der Kunst wurde erkauft mit Opfern:
Opfer der eindeutigen nominalen Erkennbarkeit der Dinge,
Opfer der reichen blühenden, sinnlichen Farbigkeit des Spät-
impressionismus und Fauvismus — die Farbaskese des analy-
tischen Kubismus greift zu kargen Stufungen von Weiß, Grau,
Braun, Beige und Schwarz.
Der Krieg von 1914/18 bedeutete für Braque einen Unter-
bruch seiner künstlerischen Tätigkeit; aktiver Kriegsteil-
nehmer, wird er schwer verwundet und ist erst 1917 imstande,
wieder malen zu können. Und das tut er nun im Zuge eines
umfassenden Neubeginns, gleichsam aus dem Gefühl und
dem Wissen heraus, daß die ursprünglich so umstürzlerische
und schöpferische Bewegung des analytischen Kubismus
schließlich zu erstarren drohte in der extremen Grenzposition
eines zerebralen Schematismus und toter Formelrepetition.
Der Neubeginn erfolgt unter der Devise der Einsicht: «Je ne
cherche pas l’exaltation. La ferveur me suffit», und er be-
findet sich im Zeichen einer Versöhnung der künstlerischen
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