Full text: Jahresbericht 1956 (1956)

Überlieferung der französischen Malerei mit dem unmittel- 
bar aktuellen Schaffen. In diese. Konstellation hinein gehört 
das vorliegende Bild, vor dessen Gelassenheit jede Ilyrische 
oder metaphorisch schweifende Beschreibung versagt. 
Auf dem Rahmenpodest oder der Brüstung eines Cheminees 
sind verschiedene Gegenstände angeordnet: zumal eine Man- 
doline, eine Schale mit Traube, ein aufgeschlagenes Noten- 
heft, ein Glas. Diese Gegenstände sind als solche sofort er- 
kennbar und benennbar; sie gelangen in ihrer individuellen 
Jeweiligkeit zur Darstellung. Das macht einen der wesent- 
lichsten Unterschiede zum Verfahren des analytischen Kubis- 
mus aus. Der letztere nämlich raubte dem Bildgegenstand 
seine unverwechselbare Individualität und reduzierte ihn 
zum bloßen Vorwand eines konstruktiven Komponieren mit 
abstrakten Form- und Farbelementen. Andererseits ist es 
jedoch nicht so, daß den vorhandenen Stilleben-Dingen mit 
«naturalistischer» Sorgfalt und Beharrlichkeit auf den Leib 
gerückt würde und daß sie somit in porträthafter Stofflichkeit, 
Materialität, Körperlichkeit erfaßt wären. Vielmehr bleiben 
die Dinge nicht sich selber überlassen in isolierender Auto- 
nomie: sie sind, auf wunderbar zwanglose Weise, in das Kom- 
positionsgefüge hineingenommen, oder besser: mit diesem 
identisch. Gegenständliche und abstrakte Form kommen zu 
bündiger Übereinstimmung. Das geschieht in der Anwendung 
eines gemilderten Verfahrens des für den synthetischen Kubis- 
mus zentralen Gestaltungsprinzips der «plans superposes»: 
ein System rhythmisch gemeisterter, namentlich bildflächen- 
parallel entwickelter Pläne gliedert die Bildebene, die dadurch 
höchste Wertigkeit zugeteilt erhält. Mit beispielloser Konse- 
quenz ereignet sich eine optische Enträumlichung des kom- 
positionellen Formgebildes, indem inständig die Flächenwerte 
der projektiven Form herausgearbeitet werden und deshalb 
kein auf den Betrachter bezogener und einem perspektivi- 
schen Blickpunkt unterworfener Bildraum entsteht. Zudem 
wird das hochrechteckige Bildformat durch die Binnenstruk- 
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