Rand gedrängt oder besser: dem Wesen nach unmöglich ge-
macht worden ist — was nicht heißen soll, daß nicht auch
heute noch viele Porträts gemalt würden; doch verschwindend
selten erreichen sie den Würdegrad ernst zu nehmender
Kunstübung; Kokoschkas von der großen europäischen Tradi-
tion des Barocks gespeiste Bildniskunst bildet die einsame Aus-
nahme. Daß Giacometti dem Bildnis einen zentralen Platz ein-
räumt in seiner Malerei, mag den folgenden Grund haben:
auch als Plastiker setzt er sich, mindestens seit dem Krieg,
vorzüglich mit der (wenn auch noch so sehr linear verdünn-
ten, zum gespenstischen Skelett reduzierten) menschlichen
Gestalt auseinander.
Das eine Bildnis stellt «Diego, des Künstlers Bruder» dar
(Oel auf Leinwand, 80,5 X 65 cm, bez. u. r.: Alberto Giacometti
1951). Die Figur sitzt, leicht aus der Mittelsenkrechten der
Bildfläche nach rechts verschoben, streng frontal in einem
kahlen Raum, den skizzenhaft spärliche Andeutungen von
staffeleiähnlichen Geräten, Stühlen und Möbeln und eine
Lampe vermutlich als Atelier lokalisieren. Die Figur mit ihrer
knappen Szenerie wird allseitig eingefaßt durch einen gemal-
ten «Rahmen im Rahmen», der analog der Gestalt des Por-
trätierten exzentrisch gegeben ist. Er schafft, inhaltlich moti-
visch, die Illusion eines fensterartigen Durchblicks auf das
Modell und seinen Umraum; zugleich akzentuiert er, formal,
nachdrücklich die bildhafte Wirkung der Komposition.
Das gestalterische Medium oder Substrat von Alberto
Giacomettis Malerei ist einerseits eine singuläre Farbigkeit,
anderseits eine ebenso unverwechselbare Zeichnung. Was die
Farbe betrifft, möchte man von einem Grisaillecharakter des
Bildes sprechen, so sehr herrschen asketisch karge, aber in
ihrer Kargheit differenzierte Graustufungen vor, die nur sel-
ten an wenigen Stellen in der Richtung auf Schwarz und
Weißlich ausschwingen und da und dort von Braungelborange
durchsetzt sind. In der «Eintönigkeit» der farbigen Haltung
wurzelt die eigentümlich trostlose, bleiche, trübselige, zu sug-
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