Volltext: Jahresbericht 1959 (1959)

Zerdehnung als eigenes Formprinzip herauszustellen, so kom- 
men wir bei der Gestaltungsweise der neuen Bronze des 
Kunsthauses mit der Erklärung als «Gleichzeitigkeit des 
Ungleichzeitigen> allein gar nicht mehr zum Ziel. Von den 
Füßen her bis auf die Höhe der Brust und noch einmal am 
Halse hat sich die Tendenz zur Streckung der Vertikalen der- 
art ausgewirkt, daß die anderen Dimensionen schon kaum 
mehr zur Wirkung gelangen. Die Senkrechte wird zudem 
noch unterstützt durch die tiefen, gewellten Faltenzüge des 
dem Körper locker anliegenden Gewandes (im Griechischen 
würde man es als Chiton bezeichnen) und durch die die Beine 
begleitenden Rillen an dem unten straffer gespannten Stoff. 
Wie einseitig die Dehnung der einen Richtung zugute kommt, 
zeigt sich in besonders augenfälliger Weise an den fast hori- 
zontal zur Seite gestreckten Armen, die im Verhältnis zu ihrer 
Dicke kaum zu lang sein dürften, im Vergleich mit den Beinen 
und dem Rumpf aber viel zu kurz ausgefallen sind. Brust- und 
Schulterpartie und noch deutlicher der Kopf, Teile also, deren 
formales Wesensmerkmal nicht in einer gerichteten Erstrek- 
kung, sondern in ihrem dreidimensionalen Volumen besteht, 
sind überhaupt nicht in irgendeinem Sinne überdehnt. Wer 
den Kopf allein betrachtet, ahnt nichts von der eigenwilligen 
Proportionierung des Körpers und der Beine. Ebenso wahrt 
die Frucht in der linken Hand ihre kugelrunde Gestalt. Auch 
bei der erwähnten Frauenfigur in Paris zeigen Kopf und Füße 
durchaus natürliche Maßverhältnisse, und zu noch wunder- 
licheren Effekten hat die Ueberdimensionierung der Verti- 
kalen bei dem Knaben in Volterra geführt. Hier sind Füße, 
Geschlecht und Kopf ausgesprochen naturalistisch modelliert, 
während Beine, Leib und die gesenkten Arme die natürlichen 
Längenverhältnisse um das Zweieinhalb- bis Dreifache über- 
treffen. 
Von der hier zu betrachtenden unterscheiden sich diese 
beiden jüngeren Statuetten durch ihre hermenartige Starrheit. 
Man möchte vermuten, daß dieser steifen Haltung mit der ge- 
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