spiels, in einen musikalischen Wettstreit zu treten. Die erregen-
den, schrillen Töne seiner Flöte aber kamen bei weitem nicht an
die wohllautenden Klänge der apollinischen Kithara heran, und
so wurde Marsyas durch den Richterspruch der Musen als ein
Frevler an der Gottheit verurteilt. Zur Strafe wurde er auf-
gehängt und von einem skythischen Sklaven lebendigen Leibes
geschunden.
Griechische Kunst erschöpfte sich nicht, wie auch heute
noch häufig geglaubt wird, in Gestalten kühler, vollendeter
Schönheit, die weitab von unserer menschlichen Welt in
göttergleicher Ferne ihr stilles Wesen feiern. Sondern die
Größe der griechischen Kunst besteht nicht zum wenigsten
darin, daß sie alle Bereiche des Lebens umfaßte, hohe und
niedere, vom Glück getragene und in Schmach versenkte. So
finden wir zu allen Zeiten des griechischen Kunstschaffens
neben Bildern blühender Lebenskraft und höchsten Adels
Darstellungen von Mord und Tod, brutaler Gewalt und Grau-
samkeit. Hier hacken die Todesdämonen des Schlachtfeldes an
den Leichen der Gefallenen, dort strömt das Blut aus der
Wunde der geopferten Polyxena, hier krümmt sich Aegisth
unter dem rächenden Schwert, das seinen Leib durchbohrt, da
wirft der rasende Herakles sein eigenes Kind in die Flam-
men. Natürlich war die Beliebtheit solcher Motive nicht die-
selbe in allen Epochen, und die Darstellungsart änderte sich
mit der Entwicklung der Kunst. Archaische und klassische
Künstler pflegten den Vorgang mit aller Deutlichkeit wieder-
zugeben, so daß der Betrachter unmittelbar Zeuge der zucken-
den Leiber, der brechenden Augen, des fließenden Blutes
wurde. Selbst das klassische fünfte Jahrhundert, das auf dem
Gebiete des Dramas doch so meisterhaft verstand, die Greuel
der Freveltaten dem Blick der Zuschauer zu entziehen,
machte hierin keine Ausnahme. Das Mitgefühl des Betrach-
ters wurde durch das Schrecknis selbst erregt, oder es mußte
sich völlig an der eigenen Phantasie entzünden, wie bei den
unzähligen Kampfbildern, die das Geschehen nur durch Hal-
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