Mit dieser jüngeren Fassung des Marsyas-Motivs war die
Reihe jedoch nicht abgeschlossen, sondern nach ihr entstan-
den weitere, die bis tief in die römische Zeit hinein einander
folgten und bald mehr, bald weniger genau den älteren Vor-
bildern entsprachen. Von diesen Marsyas-Figuren hatte auch
Maecenas, der Freund des Augustus und Förderer des Dich-
ters Horaz, eine in seinen Gärten stehen. Sie wird heute im
Konservatorenpalast in Rom aufbewahrt und bildet mit einer
im Krieg in viele Stücke zerschlagenen Statue in Karlsruhe
und einem Torso in Florenz eine Gruppe gleichartiger Werke,
die den Jüngeren hellenistischen Typus repräsentiert und
nach dem rötlichen, phrygischen Marmor auch material-
mäßig als eng zusammengehörig erkannt wurde.
Zu diesen Figuren stellt sich nun auch der Zürcher
Marsyas, doch unterscheidet er sich in wesentlichen Teilen
von ihnen. Ein äußerliches Merkmal besteht in der Marmor-
art, die nicht von der fleckig-rötlichen, phrygischen Sorte ist,
sondern in ihrer transparenten und makellos weißen Reinheit
nur von .den griechischen Inseln stammen kann. Seine Kri-
stalle sind heute nur an wenigen, kleinen Verletzungen sicht-
bar, sonst überzieht den ganzen Körper die herrlichste, gelb
leuchtende Patina. Sie verleiht der Oberfläche eine fast lebens-
nahe Wärme, die so oft dem Antikenbesitz unserer Museen
abgeht und die, obwohl sekundärer Natur, doch unsere Vor-
stellung vom: ursprünglichen Aussehen der Gestalt besser
beeinflußt, als wenn sich der Marmor in seiner blendenden
Weiße zeigte. Denn solche antike Plastik war farbig, in den
Hautpartien gelblich bis bräunlich getönt, und in den Haaren,
an den Augen und Lippen mit kräftigen Farbakzenten ver-
sehen.
Außer durch das andere Material hebt sich der Zürcher
Marsyas noch durch weitere Eigentümlichkeiten von den
bisher bekannten Statuen dieses Typus ab. Die Brust und die
Beckenpartie sind nicht nur im ganzen voluminöser gestaltet,
sondern auch in den einzelnen Formkomplexen, die unter den