ornamentaler Führung der durchgehenden Linienzüge waren
alle überdeutlich naturalistischen Elemente unvereinbar, wie
sie etwa im schräg verzogenen Mund mit dem hängenden
Unterkiefer oder in den wie Schnüre aufgestauten Adern an
Brust und Beinen des Karlsruher Marsyas vorhanden sind.
Dergleichen ist am Zürcher Marsyas abgeschwächt oder ganz
weggelassen zugunsten eines regelmäßigeren Formaufbaues
im Gesicht und größerer zusammenhängender Flächen am
Körper.
Diese Wahrnehmungen lassen darauf schließen, daß unsere
Skulptur von einem Künstler gemacht wurde, der souverän
seiner Aufgabe gegenüberstand. Seine Abkehr von allzu natu-
ralistischen Einzelheiten, seine Bevorzugung linearer Elemente
und einheitlicher Flächen deuten im Verein mit der technisch
vorzüglichen Ausführung darauf hin, daß er zu jenen griechi-
schen Bildhauern gehörte, die in der frühen römischen Kaiser-
zeit nach bester hellenistischer Tradition arbeiteten und damit
die unsterblichen griechischen Kulturwerte den damaligen
neuen Herren der Welt überlieferten.
Hansjörg Bloesch
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