Volltext: Jahresbericht 1959 (1959)

Kunst: es beschäftigt ihn zu allen Schaffenszeiten. Seit 1929, 
dem Jahr, aus dem die beiden ersten «Liegenden>» datieren?, 
erscheint es immer wieder in den mannigfaltigsten Ausfor- 
mungen und Abwandlungen. Dabei verwirklicht sich die 
Stilabsicht zwischen den Polen einer mehr «naturnahen», 
vergleichsweise organischen und einer mehr «naturfernen», 
abstrahierenden Gestaltungsweise. So oder so indessen ver- 
anschaulichen diese Darstellungen der «Liegenden» nicht nur 
ein unverbindliches artistisches Formenspiel; vielmehr ver- 
weisen sie auf den Bereich einer mythisch elementaren Aus- 
sage. Moore selber hat sich diesbezüglich genügend deutlich 
geäußert: «Die abstrakten Eigenschaften des Entwurfs sind 
für den Wert einer Arbeit wesentlich, aber für mich sind die 
menschlichen, psychologischen Elemente von ebenso großer 
Bedeutung».? Diese «menschlichen, psychologischen Werte» 
bekunden sich am Beispiel der «Liegenden» als Gestalt- 
werdungen des archetypischen Symbolkreises des Weib- 
lichen, als‘ im Mythischen verankerte Beschwörungen des 
Mütterlichen, der «Magna Mater», als Erscheinungsformen 
einer im Unbewußten verwurzelten Welt, in der sich das 
Zeugende noch nicht vom Gebärenden unterscheidet.‘ 
1956 bekam Moore den Auftrag, für das neue UNESCO- 
Gebäude in Paris, für das auch Picasso, Calder, Mirö, Arp und 
Noguchi Werke arbeiteten, eine Skulptur zu schaffen. Nach 
Versuchen, die eine sitzende Figur vor einer gekrümmten 
Mauer zeigen, entschloß sich Moore, auf das alte Leitmotiv 
der Liegenden mit aufgestützten Armen zurückzugreifen. Das 
Original wurde in römischem Travertin in den Steinbrüchen 
von Querceta bei Carrara ausgeführt — die Wahl dieses Mate- 
rlals ergab sich aus dem Wunsche Moores, einmal ein monu- 
mentales Werk in Travertin zu machen; ferner lag sie nahe, 
weil das UNESCO-Gebäude mit Travertin ausgestattet ist. 
? Vgl. Will Grohmann, Henry Moore, Berlin 1960, Abb. 17 und 19. 
3 Henry Moore, Schriften und "Skulpturen, Herausgegeben von Werner Hof- 
mann, Frankfurt am Main, 1959, S. 38. 
1 Vgl. Hofmann, a. a. O., S. 28. 
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