Full text: Jahresbericht 1959 (1959)

Vorher hatte der Bildhauer ein Arbeitsmodell in Gips gefer- 
tigt, das später in Bronze gegossen wurde.” Um einen 
Abguß dieses Arbeitsmodells handelt es sich bei der Bärschen 
Schenkung. 
Es kennzeichnet die «Liegende» von 1957, daß in ihr 
abstrakt-tektonische und organisch-naturhafte Elemente sich 
restlos durchdringen und wechselseitig ergänzen; es kommt 
zu einer Synthese der beiden polaren Gestaltungsmöglichkei- 
ten. Zwar hat sich die plastische Organisation von dem Zwang 
einer unmittelbar «abbildenden» Wiedergabe menschlicher 
Formen gelöst, aber dennoch bleibt ein, wenn auch noch so 
ferner, Bezug auf die Körperwelt des Menschlichen gewahrt. 
Die mächtigen Schwellungen, Ballungen, Ueberlagerungen, 
Höhlungen alludieren auf den ruhig gelagerten menschlichen 
Körper, so sehr die «Gliedmaßen» auch immer eine autonome 
plastische Figuration beschreiben, die nicht durch einzelne 
sich gegeneinander absetzende Gelenke artikuliert wird, son- 
dern einem einheitlichen Formrhythmus überantwortet ist. 
Ein von Moore seit jeher geübtes Formprinzip erreicht jetzt 
seine reinste Ausprägung: der Widerstreit von Schale und 
Kern ist aufgehoben zugunsten einer extremen Verschmel- 
zung von Masse und Hohlraum. Es ereignet sich die konse- 
quenteste Realisierung von theoretischen Ueberlegungen, die 
Moore schon 1937 in den «Bemerkungen über Plastik» formu- 
liert hat: «Ein Stein kann ein Loch haben, ohne dadurch 
geschwächt zu werden, wenn Größe, Umriß und Richtung 
dieses Loches genau überlegt sind. Nach dem Prinzip der 
Wölbung kann der Stein seine ganze Kraft bewahren. Das 
erste Loch, das man in einen Stein schlägt, ist eine Offen- 
barung. Das Loch verbindet eine Seite mit der andern und 
macht den Stein sogleich dreidimensional. Fin Loch kann an 
sich ebenso viel Formbedeutung haben wie eine feste Masse. 
Plastik in Luft ist möglich: der Stein umfaßt bloß den Hohl- 
raum, welcher die eigentlich beabsichtigte, „gemeinte” Form 
5 Vgl. Hofmann, a. a. O., S. 96/97. 
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