druck kommt. Schon unter einem rein historischen Gesichts-
punkt betrachtet, ordnet sich das Phänomen «Matisse als
Plastiker>» ein in eine umfassende Tradition. Bereits vor Rodin,
dem Erneuerer der Plastik im 19. Jahrhundert, dessen Tat bis
weit ins 20. Jahrhundert hinein nachwirken sollte, haben drei
französische Maler als «Außenseiter» sozusagen und fernab
vom offiziellen Betrieb der akademischen Bildhauerei pla-
stische Werke geschaffen, denen die Bedeutung eines eigent-
lichen Vorläufertums in bezug auf die «neue» Plastik zu-
kommt: Gericault, Daumier und Degas haben plastische
Gestaltungsprinzipien realisiert, die später dann allgemein
konstitutiv werden sollten.
Seit Degas gehört es beinahe zur Regel, daß große Maler
zugleich auch als Plastiker Wesentliches geben, mit der einen
Ausnahme von Cezanne freilich, der jedoch rein als Maler
zu Einsichten vorstieß, die für die Plastik des Kubismus ent-
scheidend geworden sind. Schon die plastischen Experimente
von Renoir und Gauguin repräsentieren, so verschieden sie
sind, einen fundamentalen Beitrag zur neueren Skulptur, und
seit dem Vorgang von Maillol hat es sich immer wieder ereig-
net, daß Künstler als Maler begannen und dann Bildhauer
wurden. Man sagt nicht zuviel, wenn man betont, daß die
«avantgardistischen> Maler zu einem guten Teil auch die
«avantgardistische» Plastik des 20. Jahrhunderts, zumal in
ihren Anfängen, getragen haben.
Matisse hat sich zwar nie explizit, im Wort, über seine
Arbeit als Plastiker geäußert — seine kunsttheoretischen
Schriften beziehen sich ausnahmslos auf die Malerei —, aber
die folgenden Sätze aus den 1908 erschienenen «Notizen eines
Malers»: «Was mich am meisten interessiert, ist weder das
Stilleben noch die Landschaft, sondern die Figur. Sie gestat-
tet mir am besten, das gleichsam religiöse Gefühl auszu-
drücken, das ich für das Leben habe», enthalten auch so etwas
wie eine Begründung von Matisses plastischem Schaffen, so-
fern eine solche Begründung überhaupt vonnöten ist ange-
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