Full text: Jahresbericht 1960 (1960)

sichts eines derart bewußt lebenden Künstlers, dem alle 
Manifestationen des Schöpferischen gleich ursprünglich er- 
scheinen mußten, handle es sich nun um Malerei oder Plastik. 
Für diese Generation war das Wort von Boccioni selbstver- 
ständliche Grundregel des künstlerischen Daseins: «Non v’& 
pittura, ne scultura, ne musica, ne poesia, non v’%@ che 
creazione.>» 
Matisse verarbeitet in seinen Plastiken, die thematisch 
namentlich zwei Motivkreise aufgreifen: den weiblichen Akt 
und Frauen- und Kinderköpfe, und die dem äußern Maßstab 
nach. in der überwiegenden Zahl der Kategorie der Klein- 
plastik zugehören, die vielfältigsten Anregungen. Zuerst ist es 
Rodin, in dessen Bann die frühen Plastiken von Matisse 
stehen; sein erstes plastisches Hauptwerk, der «Leibeigene»?, 
ist ohne Rodins «Homme qui marche» gar nicht denkbar. 
Dann bekundet sich besonders die Formensprache des Kubis- 
mus in einer ganzen Gruppe von Arbeiten; am deutlichsten 
in’den «Zwei Negerinnen» von 1909* mit ihrer ins Expressive 
deformierten, kantig kubischen Struktur — Reflex der eben 
damals entdeckten Negerskulptur. Im übrigen läßt sich in- 
dessen in der chronologischen Abfolge der Plastiken von 
Matisse keine «logische» stilistische Entwicklung aufweisen; 
Matisse greift unbekümmert auf Impulse, die von Degas, 
Renoir, Maillol, auch von Picasso und Laurens stammen, 
wobei er häufig zu arabeskenhaft eleganten, locker rhythmi- 
sierten Formgebilden gelangt, am ausgeprägtesten in der 
«Serpentine» von 19095, deren dekorativer Grundcharakter 
mit wesentlichen Elementen von Moatisses Malerei über- 
einstimmt. 
Was nun die «Rückenakte» I—IV betrifft — vor einer 
flachen, verschieden stark durch Hebungen und Senkungen 
3 1900/1903, Das plastische Werk Nr. 10. 
* Das plastische Werk Nr. 34. 
5 Das plastische Werk Nr. 40. 
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