Haltung gipfelt: die sprühend wache Lebendigkeit wurde
ursprünglich unterstützt durch die farbig, in Glas oder Stein,
eingelegten Augen.
Das Problem der zeitlichen und regionalen Situierung dieses
Werkes ist nicht einfach zu lösen. Der sinnlich empfindende
Detailrealismus schließt eine an und für sich denkbare Lokali-
sierung in den Zusammenhang der süditalienischen, staufi-
schen Kunst des 13. Jahrhundert aus?; wohl aber deutet er auf
den oberitalienischen, zumal lombardischen Kunstbereich der
Zeit um 1440. Zwar nicht in der Plastik, jedoch in der ober-
italienischen Miniaturmalerei und Zeichnungskunst, summa-
risch gesprochen der Jahrzehnte vom Ende des Trecento bis
Mitte des 15. Jahrhunderts, von Giovannino de’Grassi bis
Pisanello, findet sich sowohl in motivischer wie in formaler
und ausdrucksmäßiger Hinsicht am ehesten Verwandtes.
Im Gegensatz zur rationalistisch und wissenschaftlich ge-
stimmten florentinischen Kunst, für die von jeher der Mensch
im Zentrum stand, bekundet sich in dem auf mannigfache
Weise mit dem Norden verbundenen Oberitalien sehr früh
schon eine Vorliebe für Pflanzen, Tiere und Landschaft.
Gerade auf dem Feld der Miniatur und der Zeichnung tritt
anstelle des mittelalterlichen Gedankenbildes, des unverändert
tradierten Exemplums, eine Darstellungsart, die sich in die
Vielfalt der empirischen Außenwelt versenkt. Schon in den
aus dem Atelier Giovannino de’Grassis stammenden Muster-
büchern des späten Trecento erscheinen gelegentlich neben
den typenhaft fixierten, heraldisch gebannten Tieren solche,
die auf Grund einer neuen, sich an unmittelbarem Natur-
studium orientierenden Sicht heraus erfaßt sind.* Vollends
* Vgl. beispielsweise den Adler am Lesepult der Kanzel von Bitonto von 1229,
Carl Arnold Willemsen, Apulien, Land der Normannen. Land der Staufer.
Köln 1958, Abb. 146/47.
Vgl. Harald Keller, Die Kunstlandschaften Italiens, München 1960, S. 219.
Vgl. die Miniaturen aus dem Atelier Giovannino de’Grassis in der Biblioteca
Communale in Bergamo; Pietro Toesca, La pittura e la miniatura nella Lombar-
dia, Milano 1912, fig. 227, S. 300; fig. 233, S. 306. Arthur van Schendel, Le
dessin en Lombardie jusqu’ä la fin du XVe siecle, Bruxelles 1938, Abb. 38.
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