Tat und Wahrheit das Inventar in einer seichten bildflächen-
parallelen Raumschicht vor schattendunkler Folie zu streng
gefügter, vor allem von Vertikalakzenten bestimmter Schau-
barkeit. Im starken, von links einfallenden Schräglicht haben
die körperlich-plastischen Werte der stofflich eingehend ge-
schilderten Bildwelt die führende Stimme. Alles Dargestellte
tritt zu reliefhafter Tastschärfe hervor, der gegenüber keine
Interieurwirkung aufkommen kann. Die Farbgebung steht
damit in Einklang. Zwar dominieren graue und braune Töne
in vielfältig gebrochenen Stufungen; doch befreien sie sich
nicht zu atmosphärischer Gelöstheit: sie haften als Lokal-
farben an den jeweiligen Dingen. Dieser Sachverhalt wird
besonders deutlich an den wenigen Stellen, wo die Farbe zu
kräftigerem Leben erwacht, so im Stahlgrau und Karmin der
Mütze des Jungen, in den verschiedenen Rot der Granatäpfel
und des Schinkens.
Die angeführten stilistischen Eigentümlichkeiten sprechen
gegen spanische und für italienische Provenienz des Bildes.
Namentlich die wenigen bekannten Bodegones des in Toledo
tätigen Loarte, darunter solche mit den Daten 1623, 1624 und
1626®%, tragen ein grundsätzlich anderes, malerisch weiches
auf tonigen Nuancenreichtum und räumliche Wirkung ange-
legtes Gepräge. Am ehesten bietet sich zum Vergleich mit
unserem Gemälde eine Gruppe toskanischer Stilleben des
frühen 17. Jahrhunderts an: spätestens seit 1624 malte zum Bei-
spiel Jacopo da Empoli Küchenstücke, die eine ähnlich strenge,
reliefartige Fügung der Komposition kennzeichnet.? Die Hypo-
these, das vorliegende Werk sei die in den zwanziger Jahren
2 Vgl. zu Loarte Enrico Lafuente Ferrari, La peinture de Bodegones en Espagne,
in: Gazette des Beaux-Arts 1935, II, S. 174/175; Katalog der Ausstellung
Velazquez y lo Velazquefio, 2. A., Madrid 1960, Nr. 4. S. 32 (mit weiterer
Literatur).
Vgl. Giuseppe De Logu, Natura morta italiana, Bergamo 1962, Abb. 43, 44,
116. Heranzuziehen ferner die «Geflügelverkäuferin» (Pesaro, Pinacoteca) und
der «Venditore di caccia» (Florenz, Uffizien; De Logu, a. a. O., Abb. 45/46).
Diese bisher als florentinisch bezeichneten Werke (so auch noch von De Logu)
freilich neuerdings Paolo Antonio Barbieri zugeschrieben (vgl. Francesco Arcan-
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