Gris ohne Ausnahme neben der Jahreszahl auch mit der
Angabe des Entstehungsmonats versehen; ab 1923 verzichtete
er dann auf diese Gepflogenheit — ist ein typisches Beispiel
von Gris’ synthetischem Kubismus, einer Arbeitsweise, die
Gris selber in einem berühmten Satz ihrer Struktur nach als
deduktiv umschrieben hat: «C6zanne d’une bouteille fait un
cylindre, moi, je pars du cylindre, pour creer un individu
d’un type special, d’un cylindre je fais une bouteille, une
certaine bouteille.>» Das aus diesem Verfahren entspringende
«ideale» Wesen der künstlerischen Schöpfung beleuchtet auch
die folgende Aeußerung'®: «Ce n’est pas le tableau X qui
arrive a coincider avec mon sujet, mais le sujet X qui arrive
a coincider avec mon tableau.>» Am vollkommensten veran-
schaulichen die zwischen 1915 und 1919/20, in der Epoche
der streng konstruktiven Gestaltung geschaffenen Stilleben,
unter die sich auch das vorliegende Gemälde reiht, die solcher-
weise gedanklich fixierte «Kunsttheorie» des Malers. Es domi-
niert eine reine, fast mosaikartig durchartikulierte Flächig-
keit, bei entsprechender Reduktion der Farbigkeit auf Weiß,
Schwarz, Grau, Oliverün und Braun.!
Mit Jean Bazaines «La mer ä midi» gelangt das Werk
eines Künstlers in die Sammlung, der entscheidend zum
Ruhm der «Ecole de Paris» nach dem Zweiten Weltkrieg bei-
getragen hat. Die Kunst von Bazaine entzieht sich — wie im
Grunde jede wirklich bedeutende schöpferische Leistung —
der bündigen Zuordnung‘ zu irgendeinem Ismus. Zwar be-
trifft ihre Formgrammatik den Bereich, den man gemeinhin
«abstrakt» nennt; indessen macht es das eigentliche Geheim-
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Dieses und das vorige Zitat bei H.-D. Kahnweiler, Juan Gris, 2. A.. Paris
1946, S. 277/278.
Vgl. Max Huggler, Bemerkungen zum Werk von Juan Gris, in: Festschrift
Kurt Bauch, Berlin 1957, S. 250.
Oel auf Leinwand. 40X80 cm, bez. unten rechts: BAZAINE 60; Katalog der
Bazaine-Ausstellung, Kunsthaus Zürich 1963. Nr. 90.
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