Volltext: Jahresbericht 1963 (1963)

unverwechselbaren Charakter. Diesen formalen Prämissen 
entspricht in bezug auf die geistige Gestimmtheit jene Gebärde 
hoffnungsloser Trauer, Schwermut und Melancholie, die allen 
Geschöpfen Lehmbrucks wie von einem unumgänglichen, tie- 
fen Apriori her anhaftet. Der «Betenden>» ist sie nicht nur ins 
maskenhaft erstarrte Gesicht geschrieben — sie wirkt sich als 
überindividuelle Beseeltheit der ganzen Figur aus. 
Von Carl Burckhardt besaß das Kunsthaus bisher zwei 
Werke, die Bronzen «Kleiner Tänzer» (1914) und «Erinne- 
rung an H. Dieterle» (1919). Mit der Neuerwerbung «Frauen- 
raub»> von 1918 tritt nun zu der Einzelfigur und dem Porträt 
eine Mehrfigurenkomposition.‘ Unser Museum besitzt ohne- 
hin genug Anlaß, Carl Burckhardt zu pflegen: der Basler Bild- 
hauer versah 1910 bis 1914 die Fassaden des Moserschen 
Kunsthausaltbaus mit fünf metopenartigen Reliefs einer Ama- 
zonenschlacht sowie mit Nischenstandbildern. Burckhardt hat 
mehrmals mit dem Architekten Karl Moser zusammengearbei- 
tet; für dessen Pauluskirche in Basel schuf er 1904/05 das 
Relief «Christus hilft dem gefallenen Sünder»; 1914 bis 1921 
gab er einem weiteren Bau Mosers, dem Badischen Bahnhof in 
Basel, den plastischen Akzent mit monumentalen allegorischen 
Figurenbrunnen, die mit der Architektur eine zwingende Ein- 
heit bilden. Die Würdigung Carl Burckhardts gewichtiger 
künstlerischer Leistung ist heute ungebührlich vernachlässigt; 
zu Unrecht macht es den Anschein, als wäre diese Leistung in 
einen Bereich des Unaktuellen entrückt. Dabei hat sich die 
Berufung auf den Gradmesser sogenannter «Aktualität» noch 
immer als höchst unzuverlässige Instanz erwiesen — nichts ist 
derart raschem Wechsel unterworfen wie die Gründe der je- 
5 Kunststein, 73 X 43 X 47,5 cm; Wilhelm Barth, Carl Burckhardt, der Bildhauer 
und Maler, 1878—1923, Zürich-Leipzig 1936, Abb. 61. 
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