Full text: Jahresbericht 1963 (1963)

weiligen Berufung. Carl Burckhardts Stellung im Rahmen der 
neueren Schweizer Plastik läßt sich in ihrer überragenden Be- 
deutung genau umschreiben: Nachdem Karl Stauffers Versuch, 
der schweizerischen Bildhauerkunst zukunftsträchtige Impulse 
zu verleihen, gescheitert war, übernahm Burckhardt das Erbe. 
Ihm gelang, trotz seinem frühen Tod und wiewohl sein Werk 
Fragment geblieben ist, als erstem in der Schweiz die Ueber- 
windung der offiziellen, konventionell-akademischen, eklekti- 
schen Denkmalplastik, wie besonders das späte 19. Jahrhun- 
dert sie in einer krisenhaften Inflation leerer Pathetik geübt 
hatte. Rom, wohin Burckhardt 1899 auf den Spuren Böcklins 
und Marees’ zog, brachte ihn zu sich selbst: die wegen finan- 
zieller Schwierigkeiten nicht vollendete monumentale Gruppe 
«Zeus und Eros» markiert den endgültigen Durchbruch des 
Bildhauers Burckhardt zu einer von der Antike und dem Er- 
lebnis Italiens inspirierten Klassizität. Damit hängt es zusam- 
men, daß Burckhardt als Plastiker zwar unter die «Bewahrer 
des Menschenbildes» gehört, also zu keinem Zeitpunkt je zu 
abstrakten Schöpfungen vorstieß — seine Themen bezieht er 
vor allem aus der antiken Mythologie —; aber er gestaltet sie 
in tektonisch vereinfachter, klar begrenzter Form, in einer 
wachsenden Annäherung an die Gesetzlichkeit archaischer 
griechischer Plastik, die eben damals in das Aufmerksamkeits- 
feld zunächst der Künstler, hierauf der Wissenschaft zu ge- 
raten begann — sie hat auch bei Carl Burckhardt die Besin- 
nung auf das Wesen echter plastischer Gestaltung fördern 
helfen. 
Auch dem «Frauenraub» liegt ein der antiken Skulptur 
geläufiges, uraltes Motiv zugrunde. Daß jedoch nicht ein indi- 
viduell bestimmtes, «lokalisierbares» Ereignis der Mythologie 
gemeint ist, muß als symptomatisch verstanden werden. Der 
reife Burckhardt verwendet das Motivische als bloßes Medium, 
bildnerische, plastische Vorgänge zu veranschaulichen oder 
besser: zu verkörpern; im Gewand «klassischer» Thematik 
dringt er zu Formexperimenten durch, die am Kubismus ge- 
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