angelegte und gleichzeitig seltsam zart gesponnene Kom-
position greift über die Fläche hin. Der bestimmende Ein-
druck lebt von den großzügigen Grundakkorden, dem gewalti-
gen Sichstrecken, Spannen und Wachsen der Linien und Far-
ben. Eine intensive räumliche Dynamik dominiert, ein mit-
reißender Bewegungszug, welcher nicht nur den vorgesehenen,
zur Ausmalung bestimmten Wandbezirk, sondern darüber
hinaus auch den umgebenden Raum in Schwung zu setzen
vermag. Entgegen den üblichen Fehlurteilen handelt es sich
hier durchaus nicht um eine statisch-dekorative Ausschmük-
kung oder «Ausfüllung», sondern um die Vitalisierung einer
großen, zur Verfügung stehenden Fläche und ihrer nächsten
Umgebung. Von weither erfaßbar sind die Motive von Blatt
und Blüte, wobei der zentrale Dreiklang gebündelter Staub-
gefäße — wie Strahlenfontänen vibrierend — als zentrale
Elemente hervorgehoben werden. Mit dieser visuellen Akzen-
tuierung wäre auch der Titel «Unter Staubgefäßen» im Ein-
klang. Wachstum und Fertilität des Vegetativen greifen als
Grundthema in rostroten und grünen Fortissimoklängen der
Farbe aus, vor neutralen, sonnengelben Formbildungen, die
im Hintergrund schweben. Dazwischen — wie ein Echo —
in zartester Linearität eingegliedert: die bloßgelegten Blatt-
nervaturen und die pflanzenhaft züngelnden Menschenhände,
die eine rein graphische Prägung empfangen, kontrastreich zu
den großen Farbwirkungen. Alles lebt in ständiger Metamor-
phose. Max Ernst, «magicien des palpitations subtiles», wie ihn
sein Freund, der Dichter Rene Crevel, 1928 nannte, anläßlich
einer ersten großen Schau seines damaligen (Euvres in Paris,
erscheint uns auch heute in diesem Sinne als moderner Roman-
tiker, der hier ein Werk geschaffen hat, das zwischen Halluzi-
nation und Wirklichkeit, zwischen Traum und präziser Natur-
beobachtung lebt und gerade, innerhalb dieses großen Forma-
tes, beweist, daß der Künstler auch in erweiterten Dimensio-
nen jene geheimnisvolle innere Dynamik naturhaften Lebens
zu vermitteln weiß.
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