worden, Im «Krieg» der sechziger Jahre fehlt die Geige: fassungslos, un-
beweglich starrt das Tier in die vernichtende Flammenglut, kein trost-
spendendes Mittel ist ihm mehr beigegeben: wie Christus in den Kreuzi-
gungsbildern 1938 und 1943 wird es mit dem Schrecklichen konfrontiert.
In unserem Bild hat Christus seine zentrale Stellung aufgegeben, nur
klein am Horizont in der rechten oberen Ecke erscheint er gleichsam als
Ziel eines Zuges von Flüchtlingen.
So setzt sich die Komposition, wie dies bei Chagall sehr oft zu beobachten ist,
aus zwei sich gegenseitig ergänzenden Hälften zusammen links das Verder-
ben, der Brand des Dorfes und der Tod des Menschen, rechts die Reaktio-
nen auf diese Zerstörungen, das heißt Flucht und Elend, das hilflose
Starren der Kreatur und die einzigartige Demutshaltung Christi, der das
Leiden auf sich genommen hat.
« Der Krieg» stammt aus Chagalls letzter Schaffenszeit, das Bild ist in den
Jahren 1964/66 entstanden. Es setzt den malerischen Altersstil fort, der
bereits um 1955/58 im Zyklus der 17 großen Ölgemälde des «Message
biblique! », um nur die bedeutendste Bildreihe dieser Zeit zu erwähnen,
den linearen Stil der fünfziger Jahre ablöst. Die Konturen sind weicher
geworden, die Farben gelöster und flüssiger aufgetragen, es scheinen zu-
weilen beinahe Erinnerungen an den lichtvollen «weichen » Stil der zwan-
ziger Jahre aufzutauchen. Die Spontaneität der Pinselschrift verleiht den
Farben der Bilder aus der Spätzeit den Charakter aquarellhafter Trans-
luzidität. Gerade diese letztgenannte Qualität eignet im hohen Maße un-
serem Gemälde, in dem etwa der schneebedeckte perlmutterschimmernde
Vordergrund und der rauchgeschwärzte Himmel immer wieder die Lein-
wand durchschimmern lassen oder auch freigeben. Malerisch knüpft die
in Einzelfelder locker gegliederte Schneedecke an die weiße Gebirgspartie
in «Moise recevant les Tables de la Loi!?» des Bibelzyklus an; im Gegen-
satz zu dieser durchsichtig flockigen Farbgebung wird der Himmel von kom-