Volltext: Jahresbericht 1968 (1968)

Das Breitformat des Zürcher Bildes ist in der Lukas-Ikonographie eher 
selten. Petrini wählt es offensichtlich, um das Thema in seine Lieblings- 
form des Halbfigurenstücks einzuführen und um ein zweipoliges Verhält- 
nis zwischen Maler und Madonnenbild zu gewinnen. Das Riegelgerüst 
der nahen, bildplanen Rückwand gibt den Proportionen des Formats be- 
sonderen Nachdruck, zugleich schafft es eine tektonische Festigkeit, die 
den figürlichen Diagonalen doppelte Kraft gibt. In der Tat hebt sich die 
Sitzgestalt des Evangelisten in ihrem Umriß wie in ihrer plastischen Gliede- 
rung ganz vorne frei und mächtig von der sandfarbenen Helle der kahlen 
Wand ab. Das Gegengewicht zu der breit-dreieckigen Figur bildet das Oval 
des Madonnenbildes auf der schmal-dreieckigen Staffelei. Es fällt auf, daß 
die drei Hauptmotive alle der Grundform des Ovals folgen: das Bild im 
Bilde, die Maske und, anklingend, das kahle Malerhaupt. Ferner findet 
die leicht nach rechts geneigte Achse des Madonnenbildes ihre Entspre- 
chung in der leicht nach links geneigten Achse des Evangelisten, und 
zwischen Maler und Bild verbindet die große Girlande des pinselführen- 
den Armes, während die Palette ihrerseits als Formenbrücke dient. 
Der Poetik seiner Halbfigurenstücke folgend, vermag Petrini seinem 
Lukas die volle Würde einer pyramidalen, seelenvollen Ausdrucksgestalt 
zu geben. Das Faltenwerk ist achsenreich verstrebt und erinnert in seinem 
mächtigen «Bau» eher an den Hochbarock als an das lockere und diffuse 
Spiel der Draperien im Rokoko — wie überhaupt der Maler-Evangelist den 
vollen sittlichen Ernst des Hochbarocks bewahrt. In meisterhaftem Gegen- 
satz zum Gefält erscheint das Haupt des Lukas sehr differenziert, sowohl in 
seinem seelischen Gehalt wie in der Fülle an Kleinbewegung, Farbigkeit und 
Modellierung. Das Licht weckt sprühenden Farbenreichtum : lebensvoll ge- 
rötet im Inkarnat, da und dort zu offenem Orange und Rot und Grau be- 
freit, während das Kolorit des Haars zwischen Braunschwarz und Silber 
schwebt. Erfahrungen des Hochbarocks —seit Ribera, Strozzi und andern —le- 
ben in Petrini fort, wenn er sie auch mit leichterer Settecento-Hand einsetzt.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.