entstandenen Versionen der Stadtbilder vollends deutlich wird. Während
die breiten liegenden Stengel ein Merkmal der Flugzeugfallen überneh-
men, beginnt sich hier ein bedrohliches, gefräßiges Leben zu regen. Zu
einem eigentlichen, beängstigenden Vegetationsfest steigert sich diese
sinnliche Üppigkeit in dem gleichzeitig entstandenen Bild «Die Lust am
Leben! », das scheinbar wissenschaftlich genaues botanisches Zeichnen
— die wissenschaftliche Buchillustration hat der Künstler höchst virtuos
zu nützen und zu verfremden gewußt, wie der 1934 entstandene Collage-
roman « Une semaine de bonte » beweist!® — mit einer überbordenden Phan-
tastiık vereinigt, die Insekten-, Menschen- und Pflanzenformen zu einem
unentwirrbaren Ganzen fügt. In diesem Zusammenhang muß auch an das
ursprünglich für das Corso-Restaurant gemalte, 1965 durch das Kunsthaus
erworbene Wandbild « Unter Staubgefäßen » (1934) erinnert werden, das
auf den gleichen Elementen aufgebaut ist, das jedoch — dem wenig frühe-
ren Entstehungsdatum entsprechend — gänzlich auf eine schwingend-
gespannte Transparenz hin angelegt ist. Die Bilder aus der Zeit von « Die
Lust am Leben» bilden den Höhepunkt der animalisch-botanischen Le-
bensekstase. Ein Blick auf die nachfolgenden Gemälde zeigt an, daß die
Vegetationswut den höchsten Reifegrad überschritten hat. Endpunkt und
Zusammenfassung erreicht die Entwicklung mit der großen zweiten Fas-
sung des Themas «L’Europe apres la pluie!?». Lebenslust hat sich in
Lebensüberdruß gewandelt, Reife in Verwelken, ja Verwesen, gefräßige
Gier in Fäulnis. Diese Phantasmagorie der sich selbst vernichtenden Sinn-
lichkeit, diese unendlich schmerzliche Vision endzeitlicher Degeneration
konnte nicht übertroffen werden. Eine Neuorientierung in der Malerei
von Max Ernst mußte kommen. Tatsächlich wurde im Laufe der früheren
vierziger Jahre der veristisch-surrealistische Stil aufgegeben zugunsten
neuartiger Formerfahrungen, die sich für die Zukunft als äußerst frucht-
bar erwiesen haben. Bereits die erste Komposition «L’Europe apres la
pluie1® » war in einer zähflüssig pastosen Art gemalt, die Charakteristika