Leider kann heute noch immer kein Ankauf eines Werkes der Generation
der abstrakten Expressionisten verzeichnet werden; wir hoffen indessen,
im nächsten Jahresbericht die Erwerbung eines Bildes von Mark Rothko
besprechen zu können, da die im Frühiahr 1971 in Zürich gezeigte Aus-
stellung des Künstlers die beste Gewähr bietet, aus einer größern Über-
sicht heraus dasjenige Werk auszuwählen, das am gültigsten die künst-
lerischen Ideen Rothkos vertritt.
Das früheste Werk das hier angezeigt werden kann, ist ein relativ klein-
formatiges Bild von Robert Rauschenberg aus dem Jahre 1957. In tech-
nischer Hinsicht ist das titellose Werk eine Mischung zwischen Malerei
und Collage; Rauschenberg selbst verwendet für seine Arbeiten von 1955
bis um 1961 die Bezeichnung «Combine Painting», worunter er nicht
nur eine Collage im herkömmlichen Sinn, sondern die Integration aller
möglichen, auch dreidimensionaler Wirklichkeitsfragmente, wie Stühle,
Leiter, Feuerwehrschlauch, Vögel usw., in ein übergeordnetes Gesamt-
konzept versteht. Dadurch sucht Rauschenberg die Grenze zwischen dem
in sich geschlossenen «gerahmten » Kunstwerk und der unkünstlerischen
Wirklichkeit aufzuheben, ein Bestreben, das in der Pop Art in letzter
Konsequenz durchexerziert wird. «Ich will nicht, daß ein Bild nach etwas
aussieht, das es nicht ist. Ich will, daß es als das aussieht, was es ist. Ich
bin der Meinung, daß ein Bild wirklicher ist, wenn es aus Teilen der wirk-
lichen Welt gemacht ist», sagt Rauschenberg selbst!®*, der eher als ein
Wegbereiter des Pop denn als reiner Pop-Künstler anzusprechen ist — sein
Verhältnis zum Pop gleicht demjenigen, das Manet dem Impressionismus
gegenüber einnimmt. Zu persönlich ist seine Pinselschrift, zu stark ist
diese dem abstrakten Expressionismus verpflichtet, zu sehr unterscheidet
sie sich von der objektivierenden Methode der Pop-Malerei im Sinne von
Lichtenstein oder Warhol. Rauschenbergs historische Stellung liegt gerade
darin begründet, daß sich in seinem Werk ein logisch konsequenter Über-
gang vollzieht von der individualistischen Ausdrucksweise der Abstrak-