Full text: Jahresbericht 1971 (1971)

Gesicht, das eine ruhige Heiterkeit ausstrahlt. Neben diesen Bildern, die 
mit dem Personenkreis aus Picassos Umgebung identifizierbar sind, ent- 
stehen nicht weniger häufig Darstellungen, die sich nicht auf ein bestimm- 
tes Modell zurückführen lassen, die ihren Ursprung in Picassos innerem 
unerschöpflichem Formenschatz gefunden haben. Zu diesen Werken ge- 
hört das von Fräulein Angela und Herrn Siegfried Rosengart ın überaus 
großzügiger Weise dem Kunsthaus geschenkte Bild «Femme au chapeau » 
vom 28. Januar 1961. 
Picassos Spätwerk zeichnet sich durch eine gegenüber der Zeit vor dem 
Zweiten Weltkrieg gesteigerte Produktivität aus. Der Künstler liebt es, 
ein Thema in einer Vielzahl von Varianten immer wieder neu anzugehen. 
Oft scheint es, als ob ihn die Vollendung eines Bildes kaum mehr inter- 
essiere, als ob er der spontanen Fixierung eines Gedankens, die den raschen 
Schaffensprozeß nachvollziehen läßt, größere Bedeutung zumessen würde 
als allen Fragen der Ästhetik. Auch «Femme au chapeau» ist innerhalb 
einer Serie verwandter Bilder entstanden. Nachdem Picasso in den ersten 
Januartagen 1961 einige Zeichnungen geschaffen hat, die eine neuerliche 
Formulierung des Themas der weiblichen Sitzfigur vorbereiten, führt er 
dieses am 27. und 28. Januar 1961 mit je zwei Bildern pro Tag zu einem 
arbeitsmäßig wie künstlerisch gleichermaßen erstaunlichen Höhepunkt. 
Denn das Einzigartige dieser vier Bilder ist die Tatsache, daß sie trotz 
formaler Analogien alle eine ausgesprochene Individualität besitzen, daß 
jedes für sich selbst ebenso eindrücklich ist wie die ganze Gruppe. In die- 
sem Zyklus wird nicht das Einzelwerk erst im Zusammenhang mit der 
ganzen Folge verständlich, wie dies etwa bei den meisten der über 40 
Fassungen der Paraphrasen zu Velazquez’ «Meninas» der Fall ist. Im 
Gegenteil, jedem der vier Bilder eignet der Charakter des Abgeschlossenen, 
des in sich Vollendeten — eine Eigenschaft, die vom oben genannten Hang 
zum Nonfinito der sechziger Jahre absticht. Zwar lassen sich auch in 
unserem Bild unterschiedliche Grade der malerischen Durchbildung fest-
	        
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